Wire Arc Additive Manufacturing Additives Potenzial für die subtraktive Prozesskette

Autor / Redakteur: Berend Denkena, Thilo Grove, Nils Vogel und Siebo Stamm / Mag. Victoria Sonnenberg

Mit dem lichtbogenbasierten Verfahren „Wire Arc Additive Manufacturing“, kurz WAAM, lassen sich nicht nur hohe Auftragsraten zu geringen Kosten realisieren, sondern zudem klassisch gefertigte Serienteile nachträglich individualisieren.

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Bild1: Aufbau der WAAM-Anlage am IFW.
Bild1: Aufbau der WAAM-Anlage am IFW.
(Bild: Nico Niemeyer)

Die Additive Fertigung bietet als innovative Fertigungstechnologie viele Vorteile, vor allem bei der Herstellung komplexer Werkstücke und in Prozessketten, die eine hohe Flexibilität fordern. Das „Wire Arc Additive Manufacturing“ (WAAM) rückt aktuell in den Fokus der Industrie, da es hohe Auftragraten in Verbindung mit geringen Kosten realisiert und so endkonturnahe Halbzeuge herstellen kann. Des Weiteren können klassisch gefertigte Serienteile durch den Prozess weiter individualisiert und mit Features erweitert werden. Dabei setzt das Verfahren auf das Lichtbogenschweißen.

WAAM versus SLM und LMD

Bei SLM und LMD sind insbesondere die aufwendige und kostenintensive Herstellung des Pulvers zu nennen. Weiterhin ist die Fertigungszeit aufgrund der Auftragraten im Vergleich zur klassischen spanenden Fertigung limitiert. Dies verwehrt der Additiven Fertigung aktuell einen breiten Einsatz in der Serienproduktion. Infolge dieser Hemmnisse setzt das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz-Universität Hannover auf das WAAM-Verfahren, dessen Aufbau in Bild 1 zu sehen ist. Dabei steht hauptsächlich die Erweiterung der bisherigen spanenden Prozesskette durch nachträgliche Adaption von Formelementen im Vordergrund. Weiterhin wird die Möglichkeit untersucht, die konventionelle Fertigung von Halbzeugen durch das WAAM-Verfahren ersetzen zu können.

Basierend auf dem Lichtbogenschweißen wird beim WAAM-Verfahren der Werkstoff in Form von Schweißdraht bereitgestellt und kurz über der Bauteiloberfläche mittels Lichtbogen geschmolzen. Infolge werden aktuell Anlagen dieses Typs meist als Systemkombinationen realisiert, die aus einer Schweißquelle und einem Roboter bestehen, wie Williams und andere in [6] darstellen. Durch den etablierten Schweißprozess ergeben sich entscheidende Vorteile: Es existiert bereits eine große Auswahl an Schweißzusatzstoffen, die als Standardwerkstoffe kostengünstig beschafft werden können [1]. Zusätzlich ist die Auftragleistung direkt durch die Schweißprozessparameter regulierbar, sodass sie an die Endkontur angepasst werden kann.

Häufig kommt dabei ein Schweißprozess zum Einsatz, der einen reduzierten Energieeintrag und so Strukturen mit hohem Verhältnis von Höhe zu Breite, dem Aspektverhältnis, ermöglicht. Die weit verfügbaren Schweißquellen und Industrieroboter erlauben eine kostengünstige Beschaffung. Sowohl aus dem Auftragschweißen als auch aus dem Verbindungsschweißen ist breites Wissen über den Prozess vorhanden und kann auf den additiven Prozess übertragen werden. Im Gegensatz zu den genannten pulverbasierenden Verfahren ist die Handhabung eines Drahtes erheblich einfacher. Dabei wird nahezu das komplette Material umgesetzt. Dies lässt eine hohe Materialeffizienz im Fertigungsprozess im Vergleich zu pulverbasierenden Systemen erwarten. Das bedeutend höhere Aufmaß der Bauteile, im Verhältnis zu pulverbasierenden Systemen, ist als nachteilig zu erwähnen. Weiterhin wird der visuelle Eindruck des Bauteils durch die unebene, zunderartige Oberfläche beeinflusst. Folglich ist eine spanende Bearbeitung von allen Funktions- und Güteoberflächen zwingend notwendig.

WAAM-Anlage basiert auf MSG-Prozess

Die WAAM-Anlage am IFW wurde gemeinsam mit der Tewiss GmbH entwickelt. Sie basiert auf dem Metallschutzgas-Prozess (MSG) bei dem der Materialauftrag mittels Lichtbogen erfolgt. Das Material wird, nachdem der Draht durch den Lichtbogen aufgeschmolzen wurde, in Tropfenform auf der Bauteiloberfläche abgeschieden. Eine Schutzgasglocke verhindert die Oxidation des Werkstoffs an der Schweißzone.

Die Handhabung des Schweißbrenners erfolgt mittels eines 6-Achs-Industrieroboters, das Bauteil lässt sich durch eine Dreh-Schwenkeinheit zusätzlich verfahren. Durch diese Kombination ist eine optimale senkrechte Ausrichtung des Schweißbrenners jederzeit möglich. Zur Verknüpfung von Schweiß- und Zerspanprozess kommt ein Nullpunkt-Spannsystem zum Einsatz. Dadurch lässt sich ohne eine externe Erfassung der Geometrie das Bauteil auf eine klassische Werkzeugmaschine transferieren. Die Schweißparameter lassen sich durch eine offene Schnittstelle in der MSG-Schweißquelle der Firma EWM auslesen und für eine spätere Auswertung protokollieren. Wie bereits erwähnt, unterstützt die Schweißquelle einen Schweißprozess zur Reduzierung der eingebrachten Wärme. Dieser Cold-Arc-​Schweißprozess wird kommerziell für das Dünnblechschweißen verwendet und verhindert, dass es durch eine zu starke Erwärmung des Bauteils zu einem erneuten Aufschmelzen des erstarrten Materials kommt. Dies erfolgt auf Seiten der Prozessregelung durch ein schnelles Absenken des Schweißstroms nach dem Erlöschen des Lichtbogens [3].

Neben häufig eingesetzten Schweißwerkstoffen wie un- beziehungsweise niedrig legierten Stählen lassen sich grundsätzlich auch Superlegierungen wie Inconel additiv mittels WAAM fertigen. Neben Aluminiumlegierungen sind auch weitere Werkstoffe Gegenstand zukünftiger Untersuchungen und lassen sich bei Anwendbarkeit im MSG-Prozess schweißtechnisch verwenden.

Untersuchungsschwerpunkte am IFW

Die Anwendungsfälle, die am IFW untersucht werden, orientieren sich neben der vollständigen Additiven Fertigung von Bauteilen auch an der Individualisierung von Halbzeugen. Insbesondere der Materialauftrag während des Prozesses, die Materialanbindung zum Ausgangswerkstoff sowie die metallurgische Charakterisierung in hohen Strukturen sind Gegenstand aktueller und zukünftiger Untersuchungen.

Das langfristige Ziel des IFW ist es, mit der WAAM-Anlage eine Integration der Additiven Fertigung in die Großserie zu demonstrieren. Der Fokus liegt dabei besonders auf den spanenden Prozessen zwischen sowie nach den additiven Prozessen. Auftragmodelle mit Baustahl und Aluminiumlegierungen bilden die Grundlage für diese Untersuchungen. Dazu wurden 20 Schweißbahnen mit variierenden Schweißparametern (zum Beispiel Schweißgeschwindigkeit und Drahtvorschub) geschweißt. Anschließend wird sowohl die Geometrie als auch die inhomogene Gefügeausbildung untersucht. Mithilfe dieser Informationen ist die Entwicklung eines Modells möglich, das die Eingangsschweißparameter mit der resultierenden, additiven Geometrie verbindet. Wie bereits erwähnt, bildet sich ein inhomogenes Gefüge bei geschweißten Bauteilen im fortgeschrittenen Auftragprozess beziehungsweise in höheren Lagen aus. Dieses Gefüge ähnelt dem Verbindungsschweißen und entsteht durch die ungleichmäßige Wärmeverteilung während des Schweißprozesses im gefertigten Bauteil. Strukturen mit einem hohen Aspektverhältnis, wie in Bild 2 dargestellt, weisen häufig diese charakteristische Verteilung des Gefüges auf.

Gefügebildung im WAAM-Prozess

Übertragen auf den klassischen MSG-Schweißprozess bilden sich ähnliche Gefüge, die bereits aus der Literatur an einer V-Schweißnaht bekannt sind [2]. Im oberen Bereich der Struktur (Bild 2. 1) bildet sich ein widmannstättensches ferritisch-perlitisches Gefüge aus, das durch eine schnelle Abkühlung des Werkstoffs entsteht. Der Werkstoff unter diesem Gefüge bildet sich als feinkörniges ferritisch-perlitisches Normalglühgefüge aus. Ursache für dieses feine Gefüge ist die zyklisch eingebrachte Energie des Schweißprozesses in der höchsten Lage der Geometrie. Die Reduktion der Abkühlgeschwindigkeit in den unteren Schichten sowie die geringere Maximaltemperatur sind Ursache für das feine Gefüge. Diesen Temperaturverlauf konnten schon Wang und andere [5] an Ti-6AL-4V bei einem vergleichbaren-WAAM-Prozess zeigen. Zwischen dem Normal- glühgefüge (Bild 2. 4) und dem unbeeinflussten Grundwerkstoff (Bild 2. 6) erstreckt sich eine Zone mit einem hohen Perlitanteil, der durch seine dunkle Farbe gekennzeichnet wird.

Das widmannstättensche Gefüge verfügt über verhältnismäßig schlechte mechanische Eigenschaften, lässt sich aufgrund der geringen Zähigkeit jedoch gut zerspanen. Zur Homogenisierung der mechanischen Eigenschaften kann ein Normalglühen angewandt werden. Eine spanende Bearbeitung des widmannstättenschen Gefüges vor der Wärmebehandlung wäre prinzipiell infolge der guten Zerspaneigenschaften möglich. Ob die Maßhaltigkeit durch die Wärmebehandlung beeinflusst wird, ist aktuell nicht bekannt.

Der auftretende Perlit führt nach Klocke [4] zu einem starken abrasiven Verschleiß und hohen Zerspankräften, verringert jedoch durch die geringere Adhäsionsneigung die Aufbauschneidenbildung und verbessert die Oberflächenqualität der spanend bearbeiteten Oberfläche. Da dieses Gefüge nur in einem begrenzten Bereich auftritt, kann ihr Einfluss auf den Zerspanprozess jedoch vernachlässigt werden. Die mechanischen Kennwerte dieser Zone und der Einfluss auf die Festigkeit des Bauteils sind Ziel aktueller Untersuchungen.

Als Zwischenfazit lassen sich im Folgenden anhand der Vor- und Nachteile des WAAM-Verfahrens grundlegende Anwendungen finden. Der wohl wichtigste Vorteil des Verfahrens ist die Reduktion des Zerspanvolumens durch die Bereitstellung eines spezifischen Halbzeugs. Dies kann durch den WAAM-Prozess auch bereitgestellt werden, wenn eine klassische Halbzeugherstellung aus logistischen, zeitlichen oder finanziellen Gründen nicht möglich oder weniger profitabel ist. Dies ermöglicht Einsparpotenzial insbesondere bei Werkzeug- sowie Halbzeugkosten in Branchen mit einer hohen Differenz zwischen Halbzeug- und Endproduktvolumen, folglich hohen Zerspanvolumina. Ein Beispiel für solche Produkte sind Strukturbauteile in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Eine Integration des Verfahrens ist hier vor der eigentlichen subtraktiven, also abtragenden, Fertigung möglich und kann damit konventionelle ur- oder umformenden Prozesse substituieren. Unternehmen mit einer bestehenden spanenden Prozesskette können so durch eine vertikale Rückwärtsintegration ihre Wertschöpfung erhöhen, indem vorgelagerte urformende Fertigungsprozesse in das eigene Unternehmen eingegliedert werden.

Fertigung individueller Halbzeuge

Auch in anderen Branchen ermöglicht diese Integration einen Vorteil, zum Beispiel bei der Fertigung von Großbauteilen wie Schmiedegesenken. Die Fertigung von individuellen Halbzeugen ermöglicht eine Verkürzung der Lieferzeiten und gleichzeitig eine Erhöhung der Servicefähigkeit, die in der traditionellen Fertigungskette nur bei Massenprodukten wirtschaftlich möglich ist (Bild 3).

Eine weitere Anwendung besteht in der nachträglichen Individualisierung von Serienbauteilen. Nach der konventionellen Fertigung der Bauteile werden mittels des WAAM-Verfahrens individuelle Formelemente hinzugefügt und anschließend konventionell nachbearbeitet. Durch diese Strategie ist eine Verschiebung des Kundenentkopplungspunktes (KEP) für Serienbauteile weit zum Kunden und damit weit in die konventionelle Prozesskette möglich. Beauftragt ein Kunde eine Variante des Produkts, ist kurzfristig durch das WAAM-Verfahren eine Individualisierung des vorher gefertigten und lagerhaltigen Produkts möglich. Die Lieferzeit und die damit verbundenen Unsicherheiten im Fertigungsprozess können verringert werden, da die Prozessschritte zwischen KEP und Auslieferung reduziert werden. Die lagerhaltigen Halbzeuge können mittels einer bestehenden hochproduktiven konventionellen Prozesskette gefertigt werden. Bei dieser Anwendung ist die hohe Auftrag- rate des WAAM-Verfahrens für eine Serienfertigung von Vorteil und die nachteilige geringe Maßhaltigkeit kann durch den nachgeschalteten spanenden Prozess entfernt werden (Bild 3).

Eine Anwendung, die beispielsweise sehr hohes Potenzial verspricht, ist das Anschweißen von Form- elementen an Wellen. Für konventionell gefertigte Bauteile ist ein Halbzeug mit maximalem Durchmesser (Dmax) nötig, um es auf die Endkontur beispielsweise abzudrehen oder rundzuschleifen. Werden weit auskragende Formelemente gefordert, führt dies zu einem sehr hohen Zerspanvolumen. Ein möglicher Ansatz des WAAM-Verfahrens ist es, diese Formelemente auf eine Welle mit Minimaldurchmesser (Dmin) aufzutragen. Ihre Geometrie ist vollständig individualisierbar und so vorteilhaft gegenüber dem klassischen Verbindungsschweißen.

Potenzial in der Serienfertigung

Zusammenfassend lassen sich insbesondere Bauteile mit einem hohen Zerspanvolumen durch das WAAM-Verfahren wirtschaftlich herstellen, für die keine Halbzeuge nutzbar beziehungsweise diese durch eine starke Spezialisierung nicht rentabel sind. Insbesondere Strukturbauteile mit hohem Aspektverhältnis sind hierfür prädestiniert (Bild 4).

Durch die höhere Auftragrate in Bezug auf die meisten bestehenden pulverbasierenden Systeme ist eine effektive Fertigung von spezifischen Halbzeugen und Individualisierung von konventionellen Halbzeugen möglich. Dies erlaubt Unternehmen mit einer bisher ausschließlich spanenden Fertigung eine Erweiterung ihrer Prozesskette bis in die urformende Fertigung.

Eine verhältnismäßig günstige Anschaffung im unteren 6-stelligen Bereich sowie geringe variable Kosten ermöglichen auch kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) den Einstieg in die Additive Fertigung und die weitere Nutzbarkeit ihrer bestehenden subtraktiven Prozesskette.

Literatur

[1] Diltey, U. (1994): Schweißtechnische Fertigungsverfahren Band 1 – Schweiß- und Schneidtechnologie, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin Heidelberg, ISBN 978-662-12982-1.

[2] Dören, H. (2007): Fügetechnik – Schweißtechnik, Verlag für Schweißen und verwandte Verfahren, DVS-Verlag GmbH, Düsseldorf – ISBN 978-3-87155-907-5.

[3] Goecke, S. F.: Energiereduziertes Lichtbogen-Fügeverfahren für wärmeempfindliche Werkstoffe, EWM Hightec Welding GmbH, 2005, https://www.ewm-sales.com/upload/wm031800.pdf, abgerufen am 12. 4. 2018.

[4] Klocke, F.; König, W. (2008): Fertigungsverfahren – Drehen, Fräsen, Bohren, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, S. 274f., ISBN 978-3-540-35834-3.

[5] Wang, F.; Williams S. W.; Colegrove, P.; Antonysamy, A. A. (2012): Microstructure and Mechanical Properties of Wire and Arc Additive Manufactured Ti-6Al-4V – Metallurgical and Materials Transactions A 986; Volume 44A.

[6] Williams, S. W.; Martina, F.; Addison A. C.; Ding, J.; Pardal, G.; Colegrove, P. (2016): Wire + Arc Manufacturing; Materials Science and Technology, Vol. 32; Iss. 7, S. 641-647.

* Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena ist Institutsleiter, Dr.-Ing. Thilo Grove ist Bereichsleiter Fertigungsverfahren, Nils Vogel M. Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Technologien zur Funktionalisierung, Siebo Stamm M. Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fertigungsplanung und -steuerung, alle am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, Leibniz-Universität Hannover in 30823 Garbsen, Tel. (05 11) 76 21 83 31, vogel@ifw.uni-hannover.de

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