Single Pair Ethernet Auch bei Ethernet genügt ein Adernpaar
Mit Single Pair Ethernet als zusätzlichem „Physical Layer“ kann das Internetprotokoll die Lücke zwischen der Steuerungsebene und den Sensor- und Aktornetzen (also der Feldebene) schließen.
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Generationen von Netzwerktechnikern, Planern, Installateuren und Anwendern haben gelernt, dass für Fast-Ethernet (10/100 Mbit/s) Verkabelungen mit zwei Adernpaaren und für Gigabit-Ethernet alle vier Adernpaare benötigt werden. Mit dem Single Pair Ethernet (SPE) drängt nun eine Technik auf den Markt, die diese TCP/IP-basierten Datenströme auch über nur ein Adernpaar übertragen kann (Bild 1).
Ausgangspunkt für die Entwicklung von SPE ist der Broadr-Reach Standard, der von der Broadcom Corporation entwickelt wurde. Nachdem die Automobilindustrie auf der Suche nach einem Nachfolger für den CAN-Bus dieses TCP/IP-basierte Übertragungsverfahren identifiziert hatte, wurde der erste SPE-Standard von der IEEE 802.3 als Standard 100- Base-T1 in IEEE 802.3bw-2015 Clause 96 veröffentlicht (Bild 2). Pilotiertes und teilautonomes Fahren erfordert noch höhere Datenraten und so folgte nach dem ersten SPE-Standard für 100 Mbit/s recht schnell auch die Gigabitversion.
Die heute bereits zur Verfügung stehende Ethernet-Technik nach IEEE 802.3bp 1000Base-T1 liefert 1 Gbit/s Übertragungsgeschwindigkeit über nur ein Adernpaar Kupferverkabelung. Aktuell wird bei IEEE an einem weiteren Standard für noch höhere Datenraten bis 10 Gbit/s (IEEE 802.3ch) gearbeitet, der für hochauflösende Sensoren und Videoübertragungen benötigt wird. Außerdem wird ein Standard für nur 10 Mbit/s (IEEE 802.3cg) erstellt. Dieser Standard ist auch für viele Industriebereiche wichtig, weil er Übertragungsstrecken bis 1000 m ermöglicht und damit nahezu alle Feldbusse ersetzen kann. Darüber hinaus wurde im März 2019 auch eine weitere Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit Übertragungsraten oberhalb von 10 Gbit/s beschäftigt. Es wurden 25 und 50 Gbit/s als Ziel ins Auge gefasst. Diese hohen Datenraten sind die Basistechnik für autonomes Fahren und neue zonale Rechnerarchitekturen im Fahrzeug (Bild 3).
Wie auch bei den mehrpaarigen Verkabelungen gibt es analog zu Power over Ethernet (PoE) auch für SPE einen neuen Standard zur Fernspeisung, genannt PoDL = Power over Data Line (IEEE 802.3bu). Diese Kombination von Daten und Energie/Power über sehr kleine Steckverbinder und einpaarige Kabel ermöglicht es, die Anschlüsse und damit die Geräte weiter zu miniaturisieren, höhere Datenraten zu übertragen und komplexere Anlagen zu modularisieren – das alles trägt zur schnellen Entwicklung eines Marktes für SPE-Anwendungen in der Industrie, Smart Cities und Buildings sowie vielen weiteren Anwendungen auch außerhalb der Fahrzeugtechnik bei.
Damit hat die SPE-Technik innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne bereits die gleiche Leistungsfähigkeit wie das heute vorherrschende „Mehrpaarige Ethernet“ (MPE) erreicht. Die einzige Einschränkung ist die derzeit eingeschränkte Reichweite für 100 Mbit/s und Gigabit-SPE (15 beziehungsweise 40 m), die aus den Anforderungen der Hauptzielgruppe in der Fahrzeugindustrie resultiert.
Experten gehen davon aus, dass hier auch größere Übertragungslängen erreichbar sind. In Bild 4 wird aufzeigt, welche erweiterten Übertragungslängen technisch möglich sind. Damit diese Erweiterungen der SPE-Standards bei IEEE802.3 in Angriff genommen werden und insbesondere die Halbleiterindustrie in die Entwicklung dieser neuen Chipsätze investiert, bedarf es jedoch der Definition der dafür geeigneten Anwendungen und Marktpotenziale. Hierzu ist eine offene Zusammenarbeit aller Interessenten für die erweiterten SPE-Reichweiten notwendig. Die ersten Präsentationen bei IEEE802.3 sind bereits publiziert und wurden wohlwollend aufgenommen. Mitstreiter für diese Normenprojekte sind willkommen und können sich gerne beim Autor melden, um diese Normenprojekte gemeinsam voranzutreiben.
Zusammenspiel der Normenkomitees
Eine zentrale Rolle bei der Normierung nimmt die ISO/IEC JTC 1/SC 25/WG 3 ein. Dort werden basierend auf den Standards IEEE802.3 die Verkabelungsnormen nach der ISO/IEC 11801 erstellt und gepflegt (Bild 5).
Dazu erfolgt ein enger Austausch und eine intensive Zusammenarbeit mit IEEE 802.3 und den Komitees für die Verkabelungskomponenten; dies ist für die Kupferdatenkabel IEC SC46C und für die zugehörigen Steckverbinder IEC SC48B gedacht.
Innerhalb der IEC-Arbeitsgruppe SC46C für die Normierung von Datenkabel als Meterware sind folgende Normenprojekte derzeit in Arbeit:
- IEC 61156-11 – SPE-Datenkabel bis 600 MHz Bandbreite zur festen Verlegung (final veröffentlicht)
- IEC 61156-12 – SPE-Datenkabel bis 600 MHz Bandbreite zur flexiblen Verlegung (CD verfügbar)
- IEC 61156-13 – SPE-Datenkabel bis 20 MHz Bandbreite zur festen Verlegung (CD verfügbar)
- IEC 61156-14 – SPE-Datenkabel bis 20 MHz Bandbreite zur flexiblen Verlegung (geplant)
Weitere Normenprojekte, beispielsweise für höhere Bandbreiten zur Unterstützung von Datenraten oberhalb von 1 Gbit/s, werden zukünftig ebenso bearbeitet.
Normung von Single-Pair-Ethernet-Verbindungstechnik
Der erste SPE-Steckverbinder-Normenentwurf wurde bereits 2016 von Harting bei SC48B eingereicht und als IEC 61076-3-125 bis zum CD-Dokument publiziert. 2017 wurde von der Firma Commscope ein weiteres SPE-Steckgesicht zur Normung eingereicht; es wurde beschlossen, für alle SPE-Steckverbinder die Normenreihe IEC 63171 zu erstellen. Dementsprechend wurde bei SC48B das Projektteam PT63171 ins Leben gerufen und mit der Erstellung dieser Normenreihe beauftragt. Die bis zu diesem Zeitpunkt bereits in Arbeit befindlichen Normen werden als in sich geschlossene Dokumente fertiggestellt und später im Rahmen von Überarbeitungen in diese Normenreihe integriert.
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