Leichtbau Automobil-Revolution fordert die Umformtechnik

Autor Stéphane Itasse

Noch sind Elektroautos oder Fahrzeuge mit anderen alternativen Antrieben eher Nischenprodukte. Doch die Automobilhersteller forcieren diese neuen Antriebe bereits kräftig – und stellen damit auch neue Anforderungen an die Produktion.

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Unterschiedliche Werkstoffe in der Automobilkarosserie sind nur eine der neuen Herausforderungen, die auf die Umformtechnik zukommen.
Unterschiedliche Werkstoffe in der Automobilkarosserie sind nur eine der neuen Herausforderungen, die auf die Umformtechnik zukommen.
(Bild: Audi)

Über die Herausforderungen der Umformtechnik im Kontext alternativer Antriebe und der Globalisierung sprach Jörg Spindler, Leiter Kompetenzzentrum Anlagen Umformtechnik bei Audi, auf der Konferenz „Neue Entwicklungen in der Blechumformung“ in Fellbach. Denn der Leichtbau in der Karosserie hat auch im Werkzeugbau Veränderungen angestoßen. Beispielsweise reduzieren bionische Strukturen das Gewicht des Umformwerkzeugs und erhöhen seine Steifigkeit. Unterschiedliche Materialien wie Guss, Stahl, Aluminium oder Kunststoffe werden verbaut, um den Produktionsprozess zu verkürzen, den Aufwand für den Try-out zu reduzieren oder das Werkzeuggewicht zu verringern. Schließlich sorgen intelligente, sich selbst regelnde Werkzeuge dafür, dass schwierige Geometrien zu realisieren sind.

Software und Industrie 4.0 unterstützen beim Wandel der Autoindustrie

Hier kommen verstärkt Software und Industrie 4.0 ins Spiel. So gibt es Simulationen nicht nur für die Umformung und den Fügeprozess bis zur Zusammenbaugruppe, sondern auch für ihr Verhalten. Hinzu kommen stochastische Simulationen für verschiedene Produktionsparameter. „Wir bekommen dadurch eine Aussage, wie stabil oder instabil der Prozess wird“, sagte Spindler. Die Simulationsergebnisse und Prozessdaten werden dann als digitaler Zwilling mit dem realen Werkzeug verkettet. Dank Big Data ist es möglich, Parameter neu zu definieren.

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Außerdem beschäftigt sich Audi mit Blechpaketen für eine Rotor- und Statorfertigung von Elektromotoren. „Eine interne Fertigung bringt Kostenvorteile von 15 bis 25 Euro pro Motor im Vergleich zum Outsourcing, sichert zudem Qualität der Elektromotorenpakete und sorgt somit für mehr Wirkungsgrad und mehr Reichweite“, erläuterte Spindler.

Mit dem richtigen Materialmix für die Elektromobilität befasste sich Dr. Karl-Heinz Füller, Leiter Hybridmaterialien Konzepte AMG bei Daimler. „Was wir heute vor uns haben, ist ein Thema, wo wir deutlich stärkere Veränderungen des Automobilbaus sehen werden“, erwartet er. Von Politik und Gesetzgebung zur CO2-Reduktion getrieben, hat sich der Karosseriebau weiterentwickelt. Mittlerweile werden weltweit große Stückzahlen im Leichtbau mit Aluminium und hochfesten Stählen produziert.

Carbon ist für Automobile meistens zu teuer

Skeptischer zeigte er sich gegenüber Carbon als Werkstoff, über den in den vergangenen Jahren viel gesprochen wurde. „Sie können den maximalen Leichtbau mit Carbon erreichen, aber die Kosten sind zu hoch“, sagte er. Deshalb sieht er solche Anwendungen limitiert auf Supersportwagen oder Performancefahrzeuge. „Carbon hat sicher noch Potenzial, sich weiterzuentwickeln“, gestand Füller dem Werkstoff dann aber zu.

Doch mit dem Wandel zur Elektromobilität und dem autonomen Fahren kommen andere Aspekte ins Auto hinein. „Die werden uns mehr beschäftigen als der Leichtbau an sich“, erwartet der Daimler-Manager. So stellt zum Beispiel der Einbau einer Elektroauto-Batterie auch höhere Anforderungen an die Karosserie, weil jedes kritische Versagen bei einem Unfall vermieden werden muss. Weitere Trends wie Individualisierug, Digitalisierung, autonomes Fahren, Konnektivität und gemeinschaftlich genutzte Fahrzeuge würden ebenfalls einen Einfluss auf künftige Fahrzeugkonzepte und die Materialauswahl haben.

Über die Herausforderungen für die Produktion durch künftige Mobilitätsanforderungen sprach Christian Juricek, in Europa verantwortlich für Forschung und Entwicklung bei Magna Cosma Engineering. Der Zulieferer produziert Karosserie- und Fahrwerkskomponenten, hauptsächlich aus Stahl, aber auch aus Aluminium.

Aus den derzeit wichtigen Themen hat das Unternehmen für sich drei Schlüsseltrends abgeleitet: Elektrifizierung und Leichtbau, autonomes Fahren sowie neue Mobilität. „Der erste Trend wird durch gesetzliche Vorgaben getrieben und hat damit unterschiedliche lokale Ausprägungen“, erläuterte Juricek. Zum Integrieren der zusätzlichen Leistungen werden neue Komponenten erforderlich sein, was wiederum mehr Gewicht ins Fahrzeug bringt „Daraus erkennen wir die Wichtigkeit des Themas Leichtbau“, sagte er.

Leichtbau wird vielfältiger

Allerdings kommen mit den Umwälzungen im Automobilsektor auch neue Herausforderungen auf die Produktion zu. So rechnet Juricek mit einer höheren Zahl von Antriebstechniken – und jede hat unterschiedliche Bedürfnisse für den Leichtbau. Außerdem geht er davon aus, dass künftig mehr Varianten von Fahrzeugkarosserien auf der gleichen Fertigungslinie produziert werden sollen. Weitere Veränderungen erwartet er durch neue Materialien und Materialkombinationen, neue Fügeverfahren und nicht zuletzt einen verstärkten Druck nach bezahlbarem Leichtbau. Als Antwort darauf hat Magna seinen Light Weight Stack entwickelt. Mit diesem Modell will der Zulieferer die Trends und die Herausforderungen für den Fahrzeugleichtbau evaluieren, ein einfaches physikalischen Modell für eine vielseitige Annäherung an den Leichtbau in einer frühen Konzeptphase haben, die Bedürfnisse der OEM-Kunden besser erfassen sowie eine Technologie-Roadmap für die Etablierung des bezahlbaren Leichtbaus erstellen. Mit diesem Optimierungswerkzeug will Magna Cosma Engineering dann in der Lage sein, Leichtbaupakete zu entwickeln, die je nach Bedarf und Kostendruck des Automobilherstellers unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

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