Digitalisierung in der Industrie Digitalisierung und effiziente Antriebe machen Marineindustrie zukunftsfähig
Ein Besuch auf der Meyer Werft hat gezeigt: Die Digitalisierung spielt auch in der Schiffsbranche eine große Rolle. Neben der Effizienzsteigerung ist sie der Hebel, um wettbewerbsfähig und fit für die Zukunft zu sein.
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Auf den ersten Blick haben die Marineindustrie und die Fertigungsindustrie bis auf manche verbauten Komponenten nicht viel gemeinsam. Ein zweiter Blick zeigt aber, dass die Unternehmen vor manch ähnlichen Herausforderungen stehen: Digitalisierung und Energieeffizienz. Das zeigte eine Pressereise von ABB zur Meyer Werft nach Papenburg.
Für Automatisierer wie ABB ist Digitalisierung kein neues Thema, doch gerade jetzt nimmt es in der Umsetzung Fahrt auf. Den Grund sieht Dr. Christopher Ganz, zuständig für Servicetechnologien und IoT bei ABB in Zürich, im Zusammenspiel von Virtual und Augmented Reality, Cloud Computing, Machine Learing und vielem mehr. Die Prozesse dahinter kennt der Konzern; nun soll dessen Expertise andere Industrieunternehmen bei der Digitalisierung unterstützen.
Aus digitalen Daten einen tatsächlichen Mehrwert schaffen
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ABB
Mit ABB Ability das Portfolio an digitalen Lösungen bündeln
Unter ABB Ability hat der Automatisierungsanbieter seine digitalen Produkte und Dienstleistungen gebündelt – auch für die Marineindustrie. Doch ganz unabhängig davon, wo vernetzte Komponenten eingesetzt werden: Die Basis ist das Erfassen und Analysieren der aufgezeichneten Daten. Daraus muss dann ein Mehrwert geschaffen werden, der Verbesserungen ermöglicht; es muss gehandelt werden „Digitalisierung an sich liefert keinen Mehrwert. Solange die Erkenntnisse aus dem digitalen Bereich nicht in den physikalischen zurückfließen, also Zeit oder Energie einsparen, wird es keine Vorteile bringen“, erklärt Dr. Ganz.
Doch um Vorteile geht es natürlich. Deshalb stellte ABB in Papenburg speziell auf die Bedürfnisse der Marineindustrie zugeschnittene Softwarepakete und digitale Services vor. Wichtig für diese Branche sind ein optimiertes Flottenmanagement, um den Treibstoffverbrauch und die Wartungskosten zu reduzieren und gleichzeitig die Produktivität sowie die Sicherheit von Passagieren, Besatzung und Fracht zu erhöhen.
Hierfür können sowohl ABB als auch die Schiffsbetreiber und -eigner von der Digitalisierung und der Vernetzung von Systemen und Informationen profitieren. Durch verbesserte satellitengestützte Überwachungsmöglichkeiten von Schiffen und durch Cloud Computing können Zulieferer wie ABB den Reedereien nicht nur elektrische und automatisierungstechnische Komponenten und Systeme anbieten – wie etwa die Azipod-Antriebe samt Umrichter und Schaltschränken sowie das Leitsystem ABB Ability 800xA und zahlreiche industrieerprobte Instrumente. Darüber hinaus stehen heute dank moderner Datenübertragungs- und Analysesysteme cloudbasierte Lösungen zur Verfügung, die ein enormes Potenzial zu Kosteneinsparungen und/oder Leistungssteigerungen einzelner Schiffe oder ganzer Flotten bieten.
Predictive Maintenance auf Basis digitaler Daten
Eine der digitalen Lösungen sind die Remote Diagnostic Services (RDS). Für die Marineindustrie ist mit RDS4Marine ein Condition-Monitoring-System vorhanden, das alle technischen, digitalen Daten auf dem Schiff zusammenführt, visualisiert und überwacht. Es steht mit dem ABB-Service über eine verschlüsselte Kommunikation per Satellit in Verbindung. Sind über die Diagnoseplattform Auffälligkeiten zu erkennen – beispielsweise ein Druckabfall – können die Servicetechniker Anweisungen an die Besatzung geben, um das Problem vor Ort zu lösen. So lassen sich lange Ausfallzeiten und kostspielige Reparaturen vermeiden. Zudem verringert Fernwartung und vorausschauende Wartung die Anzahl der in Bereitschaft befindlichen Service-Ingenieure um bis zu 70 % und die Wartungskosten um bis zu 50 %.
Die heutigen Möglichkeiten durch Digitalisierung gehen aber darüber hinaus, interne Schiffsdaten zu sammeln und zu analysieren. Der von Dr. Ganz geforderte Mehrwert liegt außerdem in der Zusammenführung und Visualisierung zahlreicher weiterer Informationen, wie beispielsweise Wetterdaten, Treibstoffverbrauch oder Wellengang. Daraus kann die Software Octopus unter anderem die dynamische Trimmung optimieren. Das heißt, anhand eines Algorithmus wird in Echtzeit die optimale dynamische Trimmung berechnet, um Verluste zu minimieren. Über die Daten weiterer Komponenten (Rumpf, Schiffsschraube) können zusätzliche Einsparungen erzielt werden .
Versicherungen verlangen heutzutage von Frachtschiffsreedern fallweise den Einsatz von Routenplanungssoftware unter Berücksichtigung von weitreichenden Wetter- und Wellendaten nicht nur für die vom Treibstoffverbrauch her günstigste, sondern unter Berücksichtigung von Wind und Strömung sicherste Route von A nach B. Ein weiteres System errechnet den Einfluss der Wassertiefe in Küstennähe und im Tidenbereich auf den Strömungswiderstand des Schiffes und damit auf die optimale Geschwindigkeit beim Einlaufen in Häfen. Bis zu 5 % Treibstoff lassen sich durch solche Bewegungsvorhersagen sowie Leistungs- und Antriebsoptimierung einsparen.
Zukunftsfähig mit alternativen Antriebskonzepten
Für Schiffsbauer und -eigner immer wichtiger werden auch alternative Antriebskonzepte, um die Stickoxid- und Feinstaubbelastung zu reduzieren. Ähnlich wie innerstädtische Umweltzonen haben die USA, Europa und China an großen Küstenabschnitten sogenannte „Emission Controlled Areas“ (ECA) definiert, in denen die NOx- und SOx-Emissionen reduziert werden sollen, indem kein Schweröl verbrannt wird. Seit 2017 betrifft dies alle Verbrennungsmaschinen größer 600 kW (das entspricht etwa dem Antrieb eines Fischerbootes). Daraus resultiert, dass die Schiffe mit zwei verschiedenen Tanksystemen unterwegs sind. In der Flussschifffahrt gibt es außerdem lokale Regulierungen, die beispielsweise alternative Brennstoffe fordern. So sind Schiffseigner gezwungen, auf andere Antriebssysteme setzen, um zukunftsfähig zu bleiben.
Seit über 25 Jahren sind dieselelektrische Antriebe das Antriebssystem der Wahl, wie Martin Schiefer, Leiter Marine & Ports bei ABB in Deutschland, berichtet. Dabei laufen Verbrennungsmotoren unter optimalen Konstantbedingungen und erzeugen über Generatoren Strom, der nicht nur an Bord verwendet wird, sondern auch für die elektrischen Antriebsmotoren wie die Azipod-Antriebe.
Im Vergleich zu konventionellen Antriebssystemen mit starren Wellen verbrauchen Azipods 10 bis 15 % weniger Treibstoff. Zudem sind die dieselelektrischen Antriebe leiser und kompakter. Ein Azipod-Antrieb besteht aus einer elektrischen Antriebseinheit, die in einer unter der Wasserlinie angeordneten Gondel untergebracht ist. Er übernimmt sowohl die Antriebs- als auch die Steuerungsfunktion von Schiffen.
Für Fähren haben sich inzwischen auch Batterie-Hybrid-Lösungen durchgesetzt, bei denen die Dieselmotoren an Bord immer weniger genutzt werden. Oft fahren sie in Küstennähe elektrisch mit Batterie und nutzen den Verbrennungsmotor für höhere Geschwindigkeiten auf offenem Gewässer. Vor allem in Skandinavien sind rein batteriebetriebene Fähren bereits in Planung oder schon Realität. ABB liefert sowohl für die Hybrid- als auch für die Batteriefähren die Energiespeicher, das Gleichstrom-Bordnetz, das Leitsystem, den Antrieb und das Batterieladesystem auf Basis eines ABB-Roboters.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, setzt auch die Meyer Werft auf ABB-Komponenten. Das jüngste dort gebaute Kreuzfahrtschiff, die „Dream World“ der asiatischen Reederei Dream Cruises, ist mit einem dieselelektrischen und zwei Azipod-Antrieben ausgestattet. Außer ABB waren etwa 800 weitere Partnerunternehmen und Lieferanten am Bau des Schiffes beteiligt.
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