Mikrobohren Feinbohrspindel für die Trockenfunkenerosion
Bohrungen mit Durchmessern deutlich unterhalb DB = 1 mm werden schon heute mit thermischem Abtragen gefertigt. Eine neuartige Bohrspindel erlaubt nun erstmals den Verzicht auf flüssige Dielektrika und eröffnet damit ganz neue Perspektiven.
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Die Funkenerosion ist ein etabliertes Fertigungsverfahren im Werkzeug- und Formenbau. Präzise Mikrobohrungen können mit Bohrungsdurchmessern im Bereich 0,1 mm ≤ DB ≤ 0,3 mm und Aspektverhältnissen φ ≤ 10 industriell in hochharte Werkstoffe eingebracht werden. Anwendungsgebiete umfassen Ziehwerkzeuge für die Umformtechnik, Gasdüsen in der Automobiltechnik, Fadenführer sowie Spinndüsen für die Textilindustrie oder Startlochbohrungen für die Mikrodrahterosion. Gegenüber flüssigen Dielektrika versprechen gasförmige Spülmedien verbesserte Spülbedingungen zur Erreichung höherer Aspektverhältnisse φ. Zudem ermöglichen sie eine Steigerung der Abtragrate VW und eine Senkung des relativen Verschleißes ϑ. Der denkbare Verzicht auf ein Arbeitsbecken erlaubt bisher nicht realisierbare Positionierungen und damit beispielsweise eine robotergestützte Bohrbearbeitung [Uhl12, Sch16].
Die in der Funkenerosion etablierte Verwendung von Bohrspindeln für die Gewährleistung der Rundheit der Mikrobohrungen war in der trockenfunkenerosiven Bohrbearbeitung bei der Applikation von Spüldrücken pp ≤ 80 bar bisher nicht möglich. Grund hierfür ist die deutlich herausforderndere Dichtigkeitsaufgabe im Bereich der Drehdurchführung bei der Verwendung von gasförmigen Dielektrika. Nachfolgend soll daher nun der weltweit erste Einsatz einer Bohrspindel für das trockenfunkenerosive Feinbohren mit rotierender und zugleich unter hohem Druck p durchspülter Rohrelektrode beschrieben werden. Erste Ergebnisse werden mit Bohrversuchen einer eigens entwickelten, druckluftbetriebenen Hochgeschwindigkeitsspindel verglichen.
Grundlagenforschung an Hochleistungswerkstoffen als Basis
Im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Optimierte Fertigung von Mikrobohrungen in keramischen Werkstoffen durch Einsatz der funkenerosiven Trockenbearbeitung“ wurden Fertigungstechnologien und Bearbeitungsstrategien für die funkenerosive Trockenfeinbohrbearbeitung verschiedener Hochleistungswerkstoffe erforscht und bereitgestellt. Betrachtet wurden unter anderem keramische Werkstoffe wie mit Titannitrid infiltriertes Siliziumnitrid (Si3N4/TiN) sowie die Nickelbasislegierung Inconel 718 (2.4668). Detaillierte technologische Ergebnisse zum trockenfunkenerosiven Feinbohren können den Arbeiten von Uhlmann et al. [Uhl16], Schimmelpfennig [Sch16] und Uhlmann und Yabroudi [Uhl17b] entnommen werden.
Aufbauend auf der Erforschung der grundlegenden Abtragmechanismen des trockenfunkenerosiven Bohrens mit statischer Rohrelektrode sollte im Verlauf des DFG-Forschungsprojekts geprüft werden, ob die aus der konventionellen Funkenerosion bekannten positiven Effekte rotierender Elektroden auch bei der trockenfunkenerosiven Bearbeitung auftreten. Hierfür kam zunächst eine vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der Technischen Universität Berlin entwickelte und erstmals im Jahr 2017 für das trockenfunkenerosive Bahnerodieren vorgestellte Hochgeschwindigkeitsspindel zum Einsatz [Uhl17a]. Die erwarteten geringen Viskositäten η beim Innenspülen mit gasförmigen Dielektrika führten zu einer Entwicklung dieser vergleichsweise hochdrehenden Spindelvariante, wie ihre Drehzahlkennlinie zeigt.
Drehzahl und Rundlauffehler sind entscheidend
Die auf einer druckluftbetriebenen Turbine basierende Hochgeschwindigkeitsspindel des IWF erreicht mit Antriebsdrücken im Bereich 1 bar ≤ pA ≤ 4 bar und Spüldrücken pp ≤ 80 bar eine maximale Drehzahl nmax ≤ 400.000 min-1 [Uhl17a]. Unterhalb eines Antriebsdrucks von pA = 1 bar können die inneren Reibungskräfte FS des Schleifkontakts für die Bestromung noch nicht überwunden werden. Ab einem Antriebsdruck von pA = 2,5 bar wirken Zentrifugalkräfte FZ, die ein selbsttätiges Öffnen der Elektrodenhalter zur Folge haben können.
Der Rundlauffehler FR der Hochgeschwindigkeitsspindel wurde mit einem Triangulationsmesssystem von Keyence bestimmt. Abhängig von der Drehzahl n und der Spannsituation ergibt sich für die Hochgeschwindigkeitsspindel ein Rundlauffehler von 5 μm ≤ FR ≤ 10 μm. Beim Feinbohren werden deutlich größere Auskraglängen lA verwendet als beim trockenfunkenerosiven Bahnerodieren, weshalb diese Rundlauffehler FR zu einer starken Taumelbewegung der Rohrelektrode führen würden.
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