Zerspanung mit mehr Gefühl Integrierte Kraftmessung macht Zerspanungsysteme sensibler
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Echte Fertigungspraktiker fühlen seit jeher, was ihre Hände mit den Werkstücken anstellen, um das Beste herauszuholen. Forscher wollen diese Sensibilität jetzt auf Werkzeugmaschinen übertragen...

Die Digitalisierung ist nicht zu bremsen und Daten spielen insbesondere im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz (KI) eine immer größere Rolle. Die konservativ aufgestellte Welt der Produktion wird dabei immer stärker von einer Welle der Digitalisierung überrollt. Algorithmen aus dem Bereich der KI und des maschinellen Lernens versprechen eine zunehmende Automatisierung, die vorrausschauende Planung und somit effizientere Prozesse.
All diese versprochenen Wünsche können aber nur mit einer soliden Datenbasis erfüllt werden. Die Künstliche Intelligenz „erkennt“ im Hinblick darauf Zusammenhänge in Daten und „lernt“, diese stetig besser abzuschätzen. Relevante Zusammenhänge, die durch die verfügbaren Daten nicht erfasst werden, bleiben der KI aber verborgen (das sind dann sogenannte „Dark Data“).
Für einen erfolgreichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Produktion müssen die verwendeten Daten aber alle Prozesseinflüsse vollständig beschreiben können. Allerdings reichen die verfügbaren Daten aus der Maschinensteuerung für viele KI-Anwendungen nicht aus. Für ein Mehr an Information, ist also der Einsatz von zusätzlicher Sensortechnik unumgänglich.
Geschickt platzierte Dehnmessstreifen als sparsame Alternative
Spätestens an diesem Punkt stößt die Produktion jedoch auf eine Hürde: Zuverlässige und hochwertige Sensorik ist teuer und ihre Integration funktioniert meist nicht, ohne in den Prozess einzugreifen oder die Maschinenstruktur zu schwächen. Die neuen KI-Algorithmen müssen diese Zusatzkosten also aufwiegen, damit der Anwender weiterhin wirtschaftlich agieren kann. Dies funktioniert nur mit Daten in ausreichender Quantität und Qualität.
Eine Lösung, um die Hürde zu meistern, sind fühlende Maschinenkomponenten mit integrierter Kraftmessung. Wie Forschungen am Institut für Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz-Universität Hannover zeigen, sind geschickt an Maschinenkomponenten applizierte Dehnungsmessstreifen (DMS) eine recht günstige Alternative zur teuren piezobasierten Messtechnik.
Nachrüstbares Sensorfeeling macht aus Maschinen Datenquellen
Und gemeinsam mit internationalen Partnerunternehmen wie dem Maschinenhersteller DMG Mori AG, dem Spannelementehersteller Römheld GmbH sowie den Anwendern VW AG und Reikam GmbH entwickelt das Institut nun Verfahren, mit denen sehr dünne und damit sensible DMS gezielt an Stellen mit hoher Sensitivität der jeweiligen Komponenten appliziert werden können.
Im Gegensatz zu Dynamometern sorgen die dünnen und kleinen Messstreifen in puncto Prozess kaum für Restriktionen. Die DMS sind einfach nachzurüsten und extrem vielseitig einsetzbar. Mit dieser Messalternative werden bestehende und neue Werkzeugmaschinen in Unternehmen also günstig zu echten Datenlieferanten. So leisten sie dann einen wertvollen Beitrag zur Digitalisierung und Prozessoptimierung.
Bereits heute sind die in Hannover entwickelten, fühlenden Komponenten bei einigen Unternehmen erfolgreich im Einsatz. Beispielsweise setzt die DMG Mori AG auf die Kompensation von Formfehlern mithilfe eines „fühlenden Schlittens“ und Römheld nutzt fühlende Spannelemente zur Zustandsüberwachung. Weitere nationale und internationale Technologiepartner sind beispielsweise die Berg & Co. GmbH und das Korea Institute of Machinery and Materials. Eingesetzte Komponenten sind sensorische Spannsysteme für die Werkstückspannung oder fühlende Führungswagen.
Bisher war der Einsatz von fühlenden Komponenten auf einzelne Anwendungen beschränkt. Ein weitreichendes Nachrüsten und Vernetzen der Neu- und Altbestände von Werkzeugmaschinen vieler Unternehmen schafft ganz neue Möglichkeiten und kann die Digitalisierung in der Produktion deutlich voranbringen.
MM
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