Werkstoffe Kritische Rohstoffe: Versorgungsrisiko auch bei Kupfer und Batterierohstoffen
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Die Versorgung der Industrie mit kritischen Rohstoffen ist nicht nur wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ohne diese Rohstoffe wären auch die Energiewende oder die Digitalisierung nicht möglich. Doch die Rohstoffsituation ist angespannt. Gibt es einen Ausweg?

Die deutsche Industrie ist schon lange auf die sichere Versorgung mit Rohstoffen angewiesen. Doch in den letzten Jahren ist einerseits der Bedarf gerade an kritischen Rohstoffen gestiegen, andererseits jedoch die Versorgungssicherheit gesunken. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wurde schließlich deutlich: Rohstoffe werden als geopolitische Waffe eingesetzt. Das hat die Problematik verdeutlicht, doch der Industriestandort hat sich in weit größere Abhängigkeiten begeben. „Die Abhängigkeit Deutschlands von vielen mineralischen Rohstoffen, vor allem Metallen und Industriemineralien aus China, ist bereits heute größer als jene bei Erdöl und Erdgas aus Russland“, so Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) auf dem 7. BDI-Rohstoffkongress.
Ähnliche Aussagen sind aus Bayern zu hören. Wie die Neuauflage der Studie „Rohstoffsituation der bayerischen Wirtschaft“ zeigt, die IW Consult im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) erstellt hat: Die Rohstoffsituation der bayerischen Wirtschaft bleibt angespannt. Denn inzwischen gehören 27 von 45 untersuchten Rohstoffen zur Hochrisikogruppe – also Rohstoffe, die schwer substituierbar sind, eine hohe Nachfrage haben und deren Vorkommen auf wenige Länder konzentriert sind. Wie Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des vbw, berichtet, wird die Studie jährlich seit 2015 durchgeführt und immer mehr Rohstoffe sind in der Hochrisikogruppe. Damit ist und bleibt die Rohstoffsituation und -versorgung ein Dauerthema. Das bedeutet aber nicht, dass die Rohstoffe nicht verfügbar sind. Dr. Karl Lichtblau, Verfasser der Studie und Geschäftsführer von IW Consult: „Der Rohstoffmangel ist eher ein Logistikproblem und kein Rohstoffproblem.“
Versorgung mit Kupfer jedes Jahr kritischer
Viele Rohstoffe, die in der „Roten Liste“ mit dem höchsten Versorgungsrisiko aufgeführt sind, werden für Zukunftstechnologien eingesetzt: darunter wichtige Batterierohstoffe (Lithium, Kobalt, Mangan, Graphit), seltene Erden beispielsweise für Magnete (Yttrium, Neodym, Scandium), Metalle für leistungsfähige Stahllegierungen (Tantal, Wolfram, Magnesium, Niob, Titan, Molybdän) oder Platingruppenmetalle für Brennstoffzellen und Katalysatoren (Rhodium, Palladium, Platin).
Wie Lichtblau berichtet, wurde gerade die Versorgung mit Kupfer von Jahr zu Jahr kritischer. Jetzt ist der Rohstoff erstmals in der Hochrisikogruppe aufgeführt. Angesichts von Elektrifizierung und dem Umbau in der Energieerzeugung und -nutzung wird laut vbw der Kupferbedarf bis 2030 um 40 bis 75 Prozent zunehmen – man denke nur die vielen Produkte aus der Elektrotechnik, die Kupfer benötigen. „Die physischen Kupfervorkommen sollten die Nachfrage zwar decken können. Die größte Herausforderung wird es aber sein, die Förder- und Weiterverarbeitungsketten schnell genug an die wachsende Nachfrage anzupassen“, so Brossardt. Das werde den Wettbewerb spürbar verschärfen.
Wichtige Rohstoffe auf wenige Förderländer konzentriert
Laut der Studie gefährdet die Konzentration auf wenige Förderländer und -unternehmen ohnehin den sicheren Rohstoffbezug. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat allen diese Tatsache nochmals deutlich vor Augen geführt, denn Russland gehört bei 18 der 45 ausgewerteten Rohstoffe zu den fünf größten Produzenten der Welt. Wie Brossardt berichtet, bezieht der deutsche Markt von dort vor allem Nickel (für Stahllegierungen oder künftig für Batterien in der Elektromobilität wichtig) und Palladium (in der chemischen Industrie, der Elektrotechnik oder für Autokatalysatoren nötig).
Da Deutschland keine eigenen Reserven hat, ist man natürlich auf den Import angewiesen – und gerät schnell in eine hohe Abhängigkeit. Das prangert Russwurm an, gerade wenn es um China geht: „Die hohe Abhängigkeit ist das Ergebnis einer gezielten staatlichen Preis- und Ansiedelungspolitik Pekings. Förderung und Weiterverarbeitung in anderen Ländern wurden damit wirtschaftlich unattraktiv.“ Hier gegenzusteuern ist für deutschen Industrieunternehmen nicht einfach, denn mineralische Rohstoffe sind für sie ebenso essenziell wie für die Gesellschaft. Abnahmeverträge für neue Lagerstätten werden schon vor dem Abbau geschlossen; wer nicht dabei ist, droht den Zugang zu verlieren.
Raus aus der Unsicherheit
Sowohl der BDI als auch der vbw fordern, dass sich Deutschland und Europa unabhängiger aufstellen müssen, um eine sichere Rohstoffversorgung zu gewährleisten. „Dazu bedarf es einer ganzheitlichen und strategischen Rohstoffpolitik, die auf drei Säulen basieren muss: der Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, dem Zugang zu Rohstoffen aus dem Ausland und dem Recycling“, so Russwurm. Ähnliches erwartet der vbw.
Der BDI fordert in einem Fünf-Punkte-Plan eine strategische Rohstoffpolitik
Viel Potenzial sehen beide Verbände im Recycling und der Kreislaufwirtschaft, um grundsätzlich die Abhängigkeit von Förderländern und -unternehmen zu verringern und gleichzeitig CO2-Emissionen einzusparen. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. (BDE) hat 2020 berechnet, dass pro eingesetzter Tonne des Recyclingrohstoffs Kupfer 3,4 Tonnen CO2 bei der Kupferherstellung eingespart werden können (im Vergleich zu der Herstellung von Kupfer aus Bauxit). Auch wenn in Deutschland und der EU die Recyclingquote bei Metallen vergleichsweise hoch ist, so kann dennoch nicht der Bedarf gedeckt werden. Zudem gehen immer noch viele Tonnen an Material durch Nicht-Recycling verloren.
Auch auf die heimische bzw. europäische Rohstoffgewinnung und Weiterverarbeitung setzen BDI und vbw, denn auch hier liegen abbaufähige Vorkommen. Beiden Verbänden ist bewusst, dass es gesellschaftliche Widerstände geben kann, doch man sollte laut Russwurm weg von der „Not-in-my-backyard“-Mentalität. Stattdessen müsse man die großen Herausforderungen (hohe Abbaukosten, hohe Umwelteingriffe) in Angriff nehmen und zeigen, dass heimische Produktion auch mit hohen Standards möglich sei.
Es gibt also Lösungsstrategien, die der Industrie eine höhere Sicherheit bei der Rohstoffversorgung geben können. Diese hat IW Consult auch in der Studie angerissen. „Wir wollen hiermit nicht den Weltuntergang auf die Tagesordnung setzen, sondern die Risiken aufzeigen und vorstellen, was man dagegen tun kann“, so Brossardt. Dabei setzten die Verbände auf einen Schulterschluss von Politik, Industrie und Gesellschaft, um die Rohstoffversorgung strategisch anzugehen.
Literatur:
Rohstoffwirtschaftlicher Steckbrief für Kupfer (BGR, 2021)
Infomaterial zu verschiedenen Rohstoffen (Deutsche Rohstoffagentur, Update 2022)
Strategische Nutzung von Rohstoffen in Deutschland (VDI, 2020)
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