Servicerobotik Serviceroboter erobern den Dienstleistungssektor
Sie sind beliebter denn je: die Lieferboten, Kommissionierassistenten und mobilen Geleitroboter – allesamt der Gattung Serviceroboter zugehörig. Während die Zahlen durch die Decke gehen, werden Serviceroboter immer smarter und ihre Einsatzmöglichkeiten immer vielfältiger.
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Klassische Sinne wie Sehen und Fühlen sind schon seit einiger Zeit nicht mehr uns Menschen vorbehalten. Mittels Sensoren und künstlicher Intelligenz wird Servicerobotern Menschlichkeit eingehaucht, und zwar so erfolgreich, dass sie mitdenken und arbeiten können, um uns in erstaunlichem Maße und in vielfältiger Hinsicht nützlich zu werden. Die steile Lernkurve und permanente Weiterentwicklung von Servicerobotern haben den Absatz der perfekten Helferlein in die Höhe schnellen lassen. Laut IFR, die bereits für 2017 einen Rekordumsatz von 5,2 Mrd. US-Dollar prophezeite, wird im Zeitraum 2018 bis 2020, so die Ergebnisse des World-Robotics-Report 2017, ein durchschnittliches Wachstum von 20 bis 25 % erwartet. In Zahlen ausgedrückt sind das nicht weniger als 27 Mrd. US-Dollar.
Auf Tuchfühlung mit der Servicerobotik
Dabei wurden die wichtigsten Wachstumstreiber in den Bereichen Medizin, Logistik und Field Services ausgemacht. Aber auch der Privatbereich nimmt zu. Der Rasen mäht sich bei vielen nämlich inzwischen von selbst.
Spannende Exponate der neuesten Generation und erweiterte Features bekommen auch dieses Mal auf der Automatica eine passende Plattform. Während Sie auf dem Demopark die geballte Servicerobotik zum Anfassen vorfinden, bieten zudem viele Aussteller direkt am Stand zahlreiche Möglichkeiten für die Tuchfühlung mit der Servicerobotik. Mit dabei ist unter anderem auch der in unseren Gefilden wohl bekannteste seiner Art: der Care-O-bot. Einigen von Ihnen hat er im Ingolstädter Saturn-Markt vielleicht bereits bei der Suche nach Batterien oder Kopfhörern weitergeholfen.
Serviceroboter Care-O-bot 4 kommerzialisieren
Vor knapp drei Jahren hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung den Serviceroboter vorgestellt. Bereits Ende 2016 begrüßte der vom Saturn-Team Paul getaufte Roboter Kunden in Ingolstadt und führte sie zum gewünschten Produkt. Inzwischen hat der Care-O-bot 4 Marktreife erlangt. Ulrich Reiser, der den Assistenzroboter über Jahre am Fraunhofer-IPA mitentwickelte, hat sich Ende letzten Jahres mit seiner Ausgründung Unity Robotics selbstständig gemacht mit dem Ziel, Care-O-bot 4 serienmäßig zu produzieren. Die Weiterentwicklung des Roboters für neue Anwendungsfelder erfolgt parallel dazu weiterhin am Fraunhofer-IPA. „Unser Ziel ist es, Care-O-bot 4 zu kommerzialisieren und mit ihm Prozesse im Dienstleistungssektor zu automatisieren. Dabei soll der Roboter das immer knapper werdende Fachpersonal unterstützen, indem er einfache Tätigkeiten übernimmt“, fasst der promovierte Ingenieur sein Unternehmensziel zusammen. „Mithilfe seiner Sensoren soll Care-O-bot zukünftig in der Lage sein, auch komplexe Alltagssituationen korrekt zu erfassen und darauf aufbauend konkrete physische Unterstützung anzubieten. Dadurch sollen Menschen mit körperlichen Einschränkungen in der Lage sein, weiterhin selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden zu leben“, ergänzt Birgit Graf, die am Fraunhofer-IPA die Gruppe Haushalts- und Assistenzrobotik leitet.
Auf dem Gebiet der Servicerobotik konnte sich auch der dänische Roboterhersteller Mobile Industrial Robots – kurz MiR – etablieren. Dies stellte der Hersteller mobiler und autonomer Roboter für den industriellen Einsatz unter Beweis, indem er seinen Umsatz im Jahr 2017 verdreifachen konnte. Mit einem erwirtschafteten Jahresumsatz von 10 Mio. Euro hatte keiner gerechnet. „Das Wachstum im vergangenen Jahr haben wir vor allem Aufträgen internationaler Kunden zu verdanken. Die Vorteile unserer Roboter MiR100 und MiR200 haben sie im täglichen Einsatz direkt überzeugt und sie haben größere Flotten mobiler Roboter bestellt. Im globalen Vergleich sind wir jetzt der Hersteller, von dem die meisten Transportroboter in Produktionsanlagen weltweit unterwegs sind“, sagt Thomas Visti, CEO von Mobile Industrial Robots. Und weil die kleinen Flitzer irgendwie mit ihrer sympathischen und hilfreichen Art gern zur Unternehmensfamilie gezählt werden, hat der Experte im Bereich programmierbarer Gleichstromversorgungen Magna-Power aus den USA seinen beiden MiR100-Exemplaren die Namen Scotty und Chekov verpasst.
Scotty und Chekov entlasten Mitarbeiter
Die beiden mobilen Roboter entlasten heute Mitarbeiter von sich wiederholenden, langwierigen Transportaufgaben. Drei Vollzeitkräfte, die in der Vergangenheit Komponenten und Baugruppen in die Abteilungen bringen mussten, haben nun Zeit für andere, höherwertige Tätigkeiten. In der Branche ist Magna-Power eines der Unternehmen mit den kürzesten Produktionszeiten. Ein wichtiges Argument, um sich auch gegen ausländische Konkurrenz behaupten zu können. Um diese Position zu halten, muss das Unternehmen die Effizienz des Fertigungsprozesses stetig optimieren. Ausgehend vom Lager müssen Teile und Baugruppen bewegt werden – von der Blechteilverarbeitung zur Leiterplatte und Kabelbaummontage, über Magnetkern und Kühlkörper-Herstellung bis hin zu Endmontage und Prüfung. „Wir haben festgestellt, dass der Transport von Materialien über die verschiedenen Bereiche des Unternehmens hinweg eine Menge Ressourcen erfordert“, so Adam Pitel, Vice President Operations bei Magna-Power. Vor dem Einsatz der mobilen Roboter verbrachten Mitarbeiter Stunden damit, Materialien von einer Abteilung zur anderen zu bewegen.
Weitere Ineffizienzen kamen auf, da es oft einen Rückstau im Lager gab, wenn mehrere Mitarbeiter gleichzeitig versuchten, Teile zu liefern oder an Teile zu gelangen. Und während die Mitarbeiter im Lager bestrebt waren, alle Materialien für eine bestimmte Aufgabe zusammenzustellen, fehlten manchmal Komponenten oder waren zum Zeitpunkt des Zusammenstellens nicht verfügbar. Das hatte zur Folge, dass ein Mitarbeiter diese Teile zu einem späteren Zeitpunkt persönlich vorbeibringen musste. Oftmals war es schwierig zu kontrollieren, wie viele Mitarbeiter im Lager waren und Teile für jede Unterbaugruppe zusammenstellen mussten im Vergleich zu jenen, die die Lieferungen durchführten. Auch konnte nicht abgeschätzt werden, wie lange diese Lieferungen dauern würden. „Wir dachten, es wäre großartig, wenn es eine Möglichkeit gäbe, autonome Roboter für diese Tätigkeit einzusetzen“, führt Pitel fort. Um die wertvolle Zeit besser zu nutzen, entschied sich Magna-Power zunächst für einen MiR100-Roboter, um den Transport von Teilen und Baugruppen durch die Produktionsstätte zu managen. Innerhalb weniger Wochen nach dem ersten erfolgreichen Einsatz setzte das Unternehmen bereits einen zweiten mobilen Roboter von Mobile Industrial Robots ein.
Mobile Roboter übernehmen monotone Transportaufgaben
Die mobilen Roboter sind darauf programmiert, als „Buslinie“ durch die Anlage zu fahren, also vom Lager zum entsprechenden Fertigungsbereich. Die Mitarbeiter stellen dort Behälter zusammen und laden diese auf das Aufsatzmodul-Regal des Roboters unter der Verwendung von magnetischen Kennzeichnungsetiketten für jede Abteilung. Der Roboter bewegt sich zu jeder seiner programmierten Anlaufstellen, an denen Mitarbeiter ihn anhalten können, um die Bausätze auszuladen. Fertige Baugruppen, die an das Lager zurückgehen, laden sie dann wieder auf. Sobald der Roboter dorthin zurückkehrt, verbindet er sich automatisch mit seiner Ladestation, um neue Kraft zu tanken und einsatzfähig zu sein. Gleichzeitig wird sein Regalaufsatz mit neuen Teilen für die Fertigung bestückt.
Einsatzszenarien für mobile Roboter
Auf der Automatica 2018 zeigt MiR verschiedene Einsatzszenarien für mobilen Roboter – darunter ein MiR200, ausgestattet mit dem Ziehsystem MiR-Hook, der bis zu 500 kg ziehen kann, oder der mobile Roboter mit Regalaufsätzen. Premiere hat ein MiR-Roboter, der mit einem kollaborierenden Roboterarm ausgestattet ist, der Printplatten bewegt. Innerhalb der Servicerobotik sieht MiR viele Entwicklungen, die auch für industrielle Roboter gelten. „Roboter mit integrierten Vision-Guidance-Systemen und ausgefeilter Sensortechnologie, wie die MiR-Produkte, arbeiten schon jetzt flexibel und sicher ohne Schutzzaun direkt neben ihren menschlichen Kollegen. Sie werden dank dieser Eigenschaften zukünftig verstärkt in Produktionshallen jeder Branche Einzug halten“, sagt Thomas Visti, CEO von MiR. Daneben geht der Trend ganz stark hin zur einfachen Bedienbarkeit und Installation der Technologien. „Wir sehen einen hohen Bedarf an Robotern, die intuitiv zu programmieren und schnell einzusetzen sind, damit sich die Automatisierung möglichst flexibel und kostengünstig gestaltet. In den nächsten Jahren wird es entscheidend sein, möglichst unkompliziert integrierbare Lösungen anzubieten, um die Produktion effizient und wettbewerbsfähig zu gestalten“, so Visti weiter.
Ebenfalls Aussteller im Bereich der Servicelogistik ist das Startup Magazino, das wahrnehmungsgesteuerte, mobile Roboter für die Intralogistik nicht nur entwickelt, sondern auch baut. Mit Magazinos Technologie können über 2D- und 3D-Kameras einzelne Objekte im Regal identifiziert und lokalisiert, sicher gegriffen und schließlich präzise an ihrem Bestimmungsort wieder abgelegt werden. Mit dem Advanced Cooperative Robot Operating System, kurz Acros, hat Magazino ein System für perzeptionsgesteuerte Robotik entwickelt. Dabei soll Acros bei der Entwicklung perzeptionsgesteuerter Roboter und deren Implementierung helfen. Des Weiteren dient das System zur Koordinierung und Steuerung der Roboter. Eine globale Wissensdatenbank, die aus Daten aller Acros-betriebenen Roboter Wissen generiert (Deep Learning), stellt die Basis für intelligentes Verhalten (AI) der Roboter dar.
Roboter lernen via Deep Learning
Früher waren Roboter sehr deterministisch. Sie wurden ein Mal programmiert und setzen dann Tausende Male einen Schweißpunkt zu einem festgelegten Zeitpunkt an die gleiche Stelle. Durch Zäune und Lichtschranken mussten Roboter und Menschen getrennt arbeiten, da den Robotern schlichtweg die Wahrnehmung ihrer Umgebung fehlte. Diesem Manko steuert nun der Einsatz von zahlreichen Sensoren und Kameratechnik entgegen, mit der Roboter der neuen Generation mittlerweile immer besser verstehen können, was sich in ihrer Umgebung abspielt.
Gleichzeitig wird die Umwelt für Roboter nicht einfacher, wenn sie sich zudem den Arbeitsbereich mit dem Menschen teilen müssen. Bestehende Programmiertools und Lösungen wie SPS-Steuerung skalieren für diese Bedürfnisse aber nicht mehr. Daher braucht es radikal neue Ansätze wie Roboter programmiert, gesteuert und vernetzt werden, da Roboter nicht länger deterministisch, sondern perzeptions-, also wahrnehmungsgesteuert, sind. Die Basis für dieses, wenn man so will, Robotergehirn, bildet Acros, welches in den Robotern von Magazino weltweit erstmals zum Einsatz kommt und die Rechenzentrale der Robotermodelle Toru, Soto und Kado darstellt.
Wurden Roboter von ihren Herstellern bisher immer individuell nach den jeweiligen Bedürfnissen mit eigener Software programmiert, sei es mit Acros nun erstmals möglich, ganz unterschiedliche Arten von Robotern schnell und unkompliziert mit einem übergreifenden „Betriebssystem“ zu programmieren. Roboter als Hardware werden somit austauschbar – die Intelligenz liegt vielmehr in dem Software-Framework Acros. Je mehr Roboter weltweit mit diesem System arbeiten, desto mehr Erkenntnisse und Daten kommen in die Cloud.
Über Deep Learning lernen die Roboter somit voneinander. Acros wird zu einer weltweit genutzten Plattform, ähnlich wie Android für Mobiltelefone, auf der Entwickler eigene Apps und Schnittstellen einbringen können. Acros soll überall dort zum Einsatz kommen, wo Roboter in einer gemeinsamen Umgebung mit Menschen arbeiten. Erste Einsatzgebiete werden die Intralogistikprozesse in Versandlagern und produzierenden Betrieben sein. Bereits heute ist das System bei mobilen Kommissionierrobotern sowie bei stationären Pick-&-Place-Stationen im Einsatz. Letzteres sogar auf Hardware von Fremdherstellern. Kunden von Acros sollen zudem von der Möglichkeit profitieren, ein bereits voll entwickeltes Framework für ihre eigenen Entwicklungen nutzen zu können. Dadurch werde enorm viel Entwicklungsaufwand gespart. Gleichzeitig kann das System äußert einfach für völlig unterschiedlich konstruierte Roboter verwendet werden. Lediglich einzelne Elemente müssen individuell an die neue Hardware (zum Beispiel Greifarm) angepasst werden.
Roboter teilen Erfahrungen in der Cloud
Der größte Nutzen liege jedoch darin, dass alle mit Acros laufenden Roboter ihre „Erfahrungen“ in einer Cloud teilen. Ein Beispiel: Über die Daten, die ein Roboter in Deutschland beim Picken von Shampooflaschen aus Kisten sammelt, können mobile Kommissionierroboter in den USA unbekannte Objekte, die einer Shampooflasche ähneln, ebenfalls picken. Ohne dass diese jemals zuvor ein ähnliches Objekt zu Gesicht bekommen hätten. Nähere Informationen zu Acros liefert das Start-up direkt am Stand.
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