Automobillogistik „Stillstand ist der Tod“
Gerade in der Automobilindustrie trifft diese von Max Frisch aufgestellte These für den Materialfluss zu. So wie sich die Fertigung entwickelt, muss sich auch die Logistik stetig verändern, um innovative Lösungen für neue Probleme bieten zu können.
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Überforderte Arbeiter, die den Rhythmus und die Geschwindigkeit ihrer Tätigkeit von einer unbarmherzigen Maschinerie vorgegeben bekommen und jederzeit Gefahr laufen, von dem stählernen Ungetüm verschluckt zu werden, wenn sie nicht Schritt halten können – so stellte Charly Chaplin die Fließbandarbeit 1936 in seinem Meisterwerk Modern Times (Moderne Zeiten) dar. Die Fließbandfertigung, mit der Henry Ford 1913 die Automobilfertigung revolutionierte und durch die sein Modell T (im Volksmund Tin Lizzy) zum absoluten Verkaufsschlager wurde, war beides: Heilsbringer für die industrielle Gesellschaft und die Gefahr der absoluten Entmenschlichung der Werker.
Grundlegende Schwächen wurden früh erkannt
Nachdem viele Autohersteller weltweit Fords Vorbild gefolgt waren, führten Opel und Hanomag die neue Fertigungsmethode in den 1920er-Jahren auch in Deutschland ein. Ein grundsätzliches Problem dieser Fertigungsweise erkannte Ford schon früh und brachte es in einem seiner bekanntesten Zitate auf den Punkt: „Jeder Kunde kann ein Auto in jeder gewünschten Farbe haben, solange es Schwarz ist.“ Bei einer Fertigungszeit von nur noch 93 Min. pro Auto kam die Lackierung einfach nicht mehr hinterher. Nur die besagte schwarze Farbe trocknete mit einer annehmbaren Geschwindigkeit. Kein Wunder also, dass schon der amerikanische Pionier, der neben technischen Innovationen leider auch für krude politische Ansichten steht, immer weiter an der Verfeinerung der Fertigungsmethode arbeitete. Bis heute hat das Konzept, das Ford zwar nicht erfand, aber für die industrielle Produktion perfektionierte und das ein zutiefst logistisches Verfahren ist, sein Gesicht deutlich geändert und doch ist es immer noch die Grundlage der Fahrzeugproduktion. Die Frage, vor der Zulieferer, Dienstleister und Autobauer heute stehen, ist, ob die Methode gerade mit Sicht auf den Materialfluss und die Versorgung der Produktion mit den benötigten Teilen auch in Zukunft in der bestehenden Form tauglich ist.
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Automobillogistik
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“
Wandelt sich die Fertigung, wandelt sich die Logistik
„Innovationen in den Fahrzeugprodukten führen dazu, dass sich unsere Welt immer wieder ändert“, bringt Thomas Zernechel, Leiter Volkswagen-Konzern Logistik, die Herausforderung an den Materialfluss auf den Punkt. Neue Techniken haben häufig spezifische Anforderungen an die Logistik. Eines der Beispiele in diesem Zusammenhang ist die Automatisierung, die in den letzten gut 20 Jahren unaufhaltsam an Bedeutung gewonnen hat. Was bei der Produktion durch den Einsatz von Technologien wie Montagerobotern begonnen hat, ist und wird auch ein immer wichtigeres Thema für die Logistik, wie Zernechel betont: „Eine automatische Be- und Entladung von Lkw ist hier zum Beispiel durchaus vorstellbar. Auch fahrerlose Transportsysteme sind ein wichtiges Thema, das in einigen unserer Fabriken auch schon umgesetzt ist. Hier sind unter anderem Systeme im Einsatz, die die Bestückung in die KLT-Regale durchführen.“ Bei Mercedes-Benz konnte die Fertigungszeit in der Van- und Sprinterfertigung im Werk in Ludwigsfelde durch den Einsatz sogenannter FTF bereits um 10 % gesenkt werden. Die individualisierten Fahrzeuge bringen sogenannte „Carsets“, also fertig vorkommissionierte Sets mit Bauteilen, genau im Takt zum jeweiligen Fahrzeug ans Band.
„Im Bezug auf den werksinternen Materialfluss bedeutet diese Entwicklung, dass wir heute eine Realtime-Steuerung der Waren bewerkstelligen müssen“, erklärt Ludger Schuh, Leiter des Geschäftsbereichs Inventory & Supply Chain bei Inform. Das Unternehmen ist auf Software für intelligente Planungs- und Dispositionsentscheidungen auf Basis mathematischer Optimierungsalgorithmen spezialisiert. Er macht deutlich, dass Stapler, Züge und FTF vor diesem Hintergrund zu jeder Zeit optimiert geplant werden müssen.
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