Antriebsforschung Störgrößenschätzung in Zahnstange-Ritzel-Antrieben
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Sogenannte MEMS-Sensoren, dienen jetzt dazu, Reibungs- und prozessbedingte Störkräfte beschleunigungsbasiert zu schätzen und zu beseitigen. Wie das geht, erklären die Experten im folgenden Beitrag.

Zahnstange-Ritzel-Antriebe (ZRA) werden in Werkzeugmaschinen neben Kugelgewindetrieben (KGT) und Lineardirektantrieben (LDA) als Vorschubantriebssysteme eingesetzt. Die rotatorische Bewegung des elektrischen Antriebsmotors wird durch das Abwälzen des Ritzels auf der Zahnstange in eine lineare Vorschubbewegung umgewandelt, wobei zumeist ein zusätzliches Vorsatzgetriebe zwischen dem Motor und dem Ritzel verbaut wird, um hohe Drehmomente zu erzeugen. ZRA-Systeme werden überwiegend bei großen Werkzeugmaschinen mit Vorschubwegen von mehr als 5 m eingesetzt. Ab derartigen Verfahrlängen ist der Einsatz klassischer KGT ineffizient, weil deren Steifigkeit von der Vorschublänge, dem Spindeldurchmesser sowie der aktuellen Tischposition abhängt. Im Gegensatz hierzu ist die Steifigkeit bei Vorschubsystemen mit ZRA weitgehend unabhängig von der aktuellen Position des Maschinenschlittens.
Bild 1 zeigt beispielhaft einen am ISW vorhanden ZRA-Versuchsstand, der im Rahmen aktueller Forschungsprojekte für die experimentelle Validierung genutzt wird. Die Dimensionierung und Komponentenauswahl des Versuchsstandes erfolgte auf Basis gängiger Anforderungen im Werkzeugmaschinenbau, um das Potenzial der entwickelten Verfahren unmittelbar für industrielle Anwendungen abschätzen zu können. Außer umfangreicher Messsensorik ist am Maschinenschlitten ein zusätzlicher LDA integriert, mit welchem tischseitige Störkräfte, wie sie beispielsweise bei der Fräsbearbeitung auftreten, in die Achsstruktur eingeleitet werden können.
Störgrößenschätzung
Linearsysteme mit ZRA werden häufig mit indirekter Lageregelung betrieben. In diesem Fall wird die Tischposition indirekt auf Basis des Motorencoders und der bekannten Übersetzungsverhältnisse des Ritzels respektive des Vorsatzgetriebes ermittelt und dem Lageregelkreis zurückgeführt. So entfällt die Integration eines zusätzlichen linearen Direktmesssystems am Maschinentisch, wodurch der Einsatz derartiger Systeme insbesondere bei langen Vorschubbewegungen – im Vergleich zum etablierten KGT – zu großen Kostenvorteilen führt. Durch das Fehlen abtriebsseitiger Zustandsinformationen kann jedoch nur unzureichend auf Störgrößen, welche außerhalb des Regelkreises liegen, reagiert werden, woraus eine insgesamt verminderte Positioniergenauigkeit bezüglich der abtriebsseitigen Tischposition resultiert. Als Störgrößen treten im Antriebsstrang neben prozessbedingten Lastkräften typischerweise Reibungskräfte auf, welche zumeist von einer ausgeprägten Nichtlinearität gekennzeichnet sind.
Um den Einfluss der im Antriebsstrang auftretenden nichtlinearen Reibungseffekte sowie extern in die Achsstruktur eingeleiteten Prozesskräfte zu verringern, werden am ISW Methoden zur Störgrößenschätzung und -kompensation erforscht. Die Informationen hinsichtlich der auftretenden Störgrößen können einerseits für die Überwachung des Maschinenzustandes und des auszuführenden Prozesses verwendet werden (Condition Monitoring). Anderseits kann durch die zusätzliche Rückführung der geschätzten Störgröße zur überlagerten Antriebsregelung eine Störgrößenkompensation erfolgen.
Um abtriebsseitige Informationen bezüglich des Schwingungszustandes des Maschinenschlittens zu erhalten, kann ein kompakter und günstiger MEMS-Beschleunigungssensor in die Vorschubachse integriert werden. Mit der hierdurch messbaren abtriesseitig wirkenden Tischbeschleunigung können die auftretenden Störkräfte und -momente im gesamten Antriebsstrang geschätzt werden.
Hierzu wird das Differenz-Beschleunigungssignal zwischen dem Antriebsmotor und dem Maschinentisch bestimmt. Die Ermittlung der antriebs- beziehungsweise motorseitigen Winkelbeschleunigung erfolgt anhand des Motorstroms. Weil dieser angesichts der unterlagerten Stromreglung ohnehin steuerungsseitig als Messsignal vorliegt, werden abgesehen vom MEMS-Beschleunigungssensor keine zusätzlichen externen Messsysteme benötigt. Mit den bekannten Motordaten, den im Antriebsstrang auftretenden Trägheiten sowie den bekannten Übersetzungsverhältnissen kann daraus eine äquivalente Linearbeschleunigung des Motors berechnet werden. Das so berechenbare Differenz-Beschleunigungssignal erlaubt Rückschlüsse auf das Reibungsverhalten des gesamten Antriebsstranges als auch auf die auf den Tisch wirkenden Prozesskräfte.
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