Arbeitsrecht Stolperfalle Weiterbildung: Darauf müssen Unternehmen achten!

Ein Gastbeitrag von Jan Tibor Lelley

Anbieter zum Thema

Digitalisierung und Klimaschutz verändern die Arbeitswelt in der fertigenden Industrie stark. Was sind die größten Stolperfallen bei der Weiterbildung für die Zukunft? Und wie lassen sie sich umgehen?

Um mit den vielen Veränderungen in der Branche mitzuhalten, müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter häufig weiterqualifizieren.
Um mit den vielen Veränderungen in der Branche mitzuhalten, müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter häufig weiterqualifizieren.
(© Thares2020 - stock.adobe.com)

Die Fertigung im Rahmen der Industrie 4.0 oder der Wandel zur Elektromobilität lassen sich nur mit ausreichend qualifizierten Mitarbeitern umsetzen. In Zeiten des Fachkräftemangels sind Unternehmen meist nicht an einem Personalabbau, sondern an Weiterbildung der Beschäftigten interessiert.

Doch wie sollten Unternehmen vorgehen? Wichtig ist, möglichst früh ein längerfristiges Konzept zu entwickeln. So können sie den erkennbaren Qualifizierungsbedarf decken, aber auch gezielt die künftige Belegschaft bestimmen: Welche Arbeitnehmer können und sollen weiterqualifiziert werden? Wer durchläuft wann welche Qualifikation?

Je früher Qualifizierungen angegangen werden, desto geringer ist das Risiko, dass die Auswahl der Mitarbeiter nach sozialen Gesichtspunkten angreifbar ist, falls es später doch zu einem Personalabbau kommt. Schließlich darf die Bestimmung der zu qualifizierenden Mitarbeiter nicht die Sozialauswahl für den Fall der Kündigung umgehen. Ansonsten drohen entsprechend erfolgreiche Klagen gekündigter Arbeitnehmer.

Kein Anspruch auf Weiterbildung

Aber was, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Arbeitnehmers für künftige Anforderungen nicht reichen? Gesetzlich besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Weiterbildung. Meist entwickeln die Tarif- und Betriebsparteien Weiterbildungs- und Qualifizierungsmodelle auf Basis von Rahmenvereinbarungen. Ohne gesonderte Vereinbarung besteht ein Anspruch auf Fort- und Weiterbildung auch nicht qua Arbeitsverhältnis.

Umgekehrt kann der Arbeitgeber Fortbildungen und Schulungen auch nur eingeschränkt aufgrund seines Weisungsrechts anordnen. Die Qualifizierung für einen neuen Arbeitsplatz ist davon nicht umfasst, weil sie über Fortbildungen für die konkrete Leistungspflicht hinausgeht.

Eigene Qualifizierungseinheit oder Weiterbildung im Netzwerk?

Je nachdem, wie umfangreich der Weiterbildungsbedarfs ist, kann es sinnvoll sein, eigene Qualifizierungseinheiten zu bilden. Ein prominentes Beispiel ist das Institut für Technologie und Transformation von Continental. Dort werden Fachkräfte, akademische Angestellte oder an- und ungelernte Produktionsmitarbeiter weitergebildet.

Die Vorteile einer eigenen Qualifizierungseinheit: Durch bessere Steuerung und mehr Transparenz sind die Kosten geringer. Zudem zahlt die Einheit auf das Image des Unternehmens ein. Doch manchmal können Mittelständler die fachliche Bildungsarbeit alleine nur schwer stemmen. In diesem Fall schlägt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vor, regionale Netzwerke und Qualifizierungsverbünde zu nutzen.

Qualifizierungsbetrieb oder -gesellschaft?

Bei der Gestaltung einer Qualifizierungseinheit lassen sich Weichen stellen, um das Risiko des Arbeitgebers zu minimieren: Übernimmt ein Qualifizierungsbetrieb die Weiterbildung, wird der Mitarbeiter in den neu geschaffenen Betrieb versetzt und behält denselben Arbeitgeber. Dieser kann ihn während der Dauer der Qualifizierung bei Bedarf im Unternehmen einsetzen.

Alternativ lässt sich ein Arbeitgeberwechsel zu einer Qualifizierungsgesellschaft vereinbaren, die den Arbeitnehmer befristet einstellt. Folglich trägt der Arbeitgeber nicht das Risiko, dass die Qualifizierung nicht den erhofften Erfolg erzielt. Trägt sie Früchte, kann der Mitarbeiter auf eine freie Stelle beim bisherigen Unternehmen wechseln. Solange die Qualifizierung andauert, lässt sich der Einsatz beim bisherigen Arbeitgeber auf Basis der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung regeln.

Doch Vorsicht: Der Mitarbeiter muss dem Wechsel in die Qualifizierungsgesellschaft zustimmen. Personalverantwortliche müssen also Fingerspitzengefühl walten lassen, um die Chancen der Qualifizierung gegenüber einem ansonsten möglicherweise drohenden Verlust des Arbeitsplatzes herauszuarbeiten. Zudem muss der Arbeitgeber den Betriebsrat für die konkrete Versetzung in die Qualifizierungseinheit einbinden.

Gut geplant, ist halb gewonnen

Die Weiterbildungs- und Qualifizierungsmodelle für die digitale und grüne Transformation zu erarbeiten, ist sehr komplex. Die Arbeitsgerichte rechnen daher bereits mit zunehmenden Konflikten. Denn grundsätzlich bestimmt der Betriebsrat mit bei den Fragen:

  • ob es Qualifizierungsmaßnahmen gibt,
  • wie die Qualifizierungsmaßnahmen ablaufen und
  • welche Beschäftigten teilnehmen sollen.

Hinzu kommt die Frage: Führt der Strukturwandel zu neuen Fertigungsmethoden oder einer agilen Betriebsorganisation? Die Grenze zu einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 Betriebsverfassungsgesetz ist schnell überschritten. Das gilt insbesondere, wenn damit auch ein Personalabbau verbunden ist, etwa weil sich nicht alle Mitarbeiter weiterbilden wollen oder können.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Die Konsequenz: Unternehmen haben die Pflicht, einen Interessenausgleich mit den Arbeitnehmervertretern zu verhandeln und einen Sozialplan abzuschließen. Der Interessenausgleich beschreibt die konkreten Maßnahmen und ihre Umsetzung, also das „Ob“ und „Wie“ der Betriebsänderung. Und im Sozialplan wird geregelt, wie sich etwaige wirtschaftliche Nachteile der Beschäftigten ausgleichen lassen.

Blockiert der Betriebsrat auch nur Teile des Projekts, weil er beispielsweise eine Überwachung der Arbeitnehmer durch neue digitale Fertigungsmethoden fürchtet, gerät der gesamte Zeitplan schnell ins Wanken. Denn unter Umständen muss mehrfach eine Einigungsstelle als betriebsinteres Streitschlichtungsorgan angerufen werden.

Vorteile eines Qualifizierungssozialplans

Deshalb ist es oft sinnvoll, ein Gesamtpaket mit einem Qualifizierungsozialplan zu schnüren: Dieser beschreibt nicht nur Maßnahmen und Umsetzung der Betriebsänderung, sondern auch die Weiterbildung von Beschäftigten für die neuen Aufgaben.

Idealerweise lassen sich in einer Art qualifiziertem Interessenausgleich Abfindungskosten für einen Personalabbau einsparen, weil auch die individualrechtlichen Anspüchen der Beschäftigten auf Qualifizierung mitverhandelt werden. Diese regelt man sich klassischerweise nicht in einem Interessenausgleich. Der Qualifizierungssozialplan ist also eine Vereinbarung mit Hybridcharakter, der als Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.

Weitere Vorteile: Die Akzeptanz bei Arbeitnehmervertretern und Belegschaft wächst, indem der Betriebsrat auch Fragen mitverhandelt, die grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig sind. Darunter beispielsweise die Ansprüche einzelner Beschäftigter auf Qualifizierung. Bedenken zu Teilaspekten des Projekts lassen sich so oft schneller ausräumen. Zugleich bieten sich durch entsprechende Betriebsvereinbarungen finanzielle Fördermöglichkeiten.

* Dr. Jan Tibor Lelley ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei Buse in 60325 Frankfurt am Main, Tel. +49 69 98972350, lelley@buse.de, www.buse.de

(ID:48431025)