Umformtechnik Tailor-Welded Blanks aus Aluminium besser umformbar

Autor Stéphane Itasse

Tailor-Welded Blanks sind im Karosseriebau gefragt, weil sie sich einfach zu Leichtbauteilen umformen lassen. Um zu verhindern, dass diese Platinen aus Aluminium an der Schweißnaht reißen, haben Forscher ein neuartiges Verfahren entwickelt.

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Hybride Tailor-Welded Blanks aus Stahl und Aluminium lassen sich dank eines neuen Verfahrens der Universität Stuttgart besser umformen.
Hybride Tailor-Welded Blanks aus Stahl und Aluminium lassen sich dank eines neuen Verfahrens der Universität Stuttgart besser umformen.
(Bild: Universität Stuttgart)
  • Bei Tailor-Welded Blanks aus Aluminium neigt die Schweißnaht bisher zum Reißen, weil der Werkstoff durch das Schweißen weniger fest wird.
  • Eine zweite Warmauslagerung während des Lackeinbrennens erhöht die Festigkeit des gesamten Bauteils.
  • Ein neuartiges Verfahren integriert das Lösungsglühen in den Schweißprozess und verbessert damit die Umformbarkeit der Tailor-Welded Blanks.

Bei Tailor-Welded Blanks aus Aluminium hat bisher die Schweißnaht eine geringere Festigkeit als der umgebende Werkstoff, da Aluminium durch das Schweißen lokal an Festigkeit verliert. Das bedeutet, dass die Schweißnaht beim Umformen reißt. An der Materialprüfungsanstalt (MPA) der Universität Stuttgart wurde nun ein Verfahren entwickelt, dass die Umformbarkeit von Tailor-Welded Blanks aus Aluminium erheblich verbessert. Das in der Abteilung Fügetechnik und Additive Fertigung unter Leitung von Martin Werz entwickelte Verfahren integriert eine Wärmebehandlung in den Fertigungsprozess, wie das Technologie-Lizenz-Büro (TLB) der Baden-Württembergischen Hochschulen mitteilt. Der Clou ist hierbei, dass die neu entwickelte Wärmebehandlungsstrategie bereits den Schweißprozess als lokales Lösungsglühen in den Prozessablauf mit einbezieht.

Gezielte Warmauslagerung direkt nach dem Schweißen

Die Versuche wurden mit der Werkstoffkombination EN AW6016 T4 (2,0 mm)/ HX340LAD+Z110MB (1,0 mm) durchgeführt, wie Werz auf Anfrage von MM Maschinenmarkt erläutert. Für den Aluminiumwerkstoff EN AW 6016 wurden systematisch Prozessmaps entwickelt. Darüber hinaus wurde für die Legierung AA6111 nachgewiesen, dass die neu entwickelte Wärmebehandlung auch hier anwendbar ist. „Je nach gewählter Auslagerungstemperatur und Schweißnahtqualität beträgt bei EN AW 6016 die Auslagerungsdauer zwischen drei Minuten und mehreren Stunden“, berichtet er. Die neu entwickelte Methodik ist nach aktuellem Stand der Forschung für die meisten Legierungen der 6000er Gruppe geeignet, also für aushärtbare Aluminiumlegierungen auf Magnesium-Silizium-Basis.

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Durch eine gezielt getimte Wärmebehandlung beziehungsweise Warmauslagerung direkt nach dem Schweißen ermöglicht das neue Verfahren einen bisher unerreichten Umformgrad und damit eine prozesssichere Integration von Tailor-Welded Blanks aus Aluminium. „Die erzielbaren Umformgrade hängen dann wesentlich von den Grundwerkstoffen und natürlich der Mehrachsigkeit bzw. der Geometrie des Bauteils und den Umformstufen ab“, präzisiert Werz. Ein weiterer Vorteil ist der, dass das neue Verfahren auch auf hybride Tailor-Welded Blanks aus Aluminium und Stahl angewendet werden kann.

Möglich sind bis zu 85 % Energieeinsparung

Durch Einsparung des Prozessschrittes Lösungsglühen können überdies sowohl der Energieeinsatz als auch die Fertigungskosten erheblich reduziert werden. „Lösungsglühen wird bei den betrachteten, aushärtbaren Aluminiumlegierungen üblicherweise bei Temperaturen zwischen 480 und 540 °C durchgeführt, bei einer Dauer von 5 bis 40 min. Die bei uns eingesetzte Auslagerung geschieht hingegen bei Temperaturen zwischen 60 und 240 °C, je nach Temperatur zwischen wenige Minuten und Stunden“, erläutert der Forscher. Damit sind nach seinen Worten Einsparungen von 50 bis gegebenenfalls hin zu 85 % möglich. „Dadurch, dass die Temperaturen insgesamt niedriger sind, sind um ein Vielfaches günstigere Öfen einsetzbar. Hier wird von Einsparungen bis zu 70 % ausgegangen“, berichtet Werz weiter.

Das Verfahren besteht aus zwei Schritten, die problemlos in den Fertigungsprozess integriert werden können. Im ersten Schritt wird das lokale Lösungsglühen während des Schweißprozesses bei der Herstellung der Tailor-Welded Blanks genutzt, um in einer anschließenden Niedertemperatur-Warmauslagerung lediglich die Festigkeit der Schweißnaht vor dem Kaltumformen gezielt zu erhöhen und damit eine Dehnungslokalisation zu vermeiden. Die zweite Warmauslagerung erfolgt nach der Umformung während des Lackeinbrennens und erhöht die Festigkeit des gesamten Bauteils inklusive Schweißnaht bis zum Erreichen der Gebrauchseigenschaften.

Schweißnahtfaktor muss ausreichend hoch sein

Bislang hat Werz mit seinen Kollegen Prozessmaps für das Rührreibschweißen entwickelt und die Wechselwirkung zwischen Schweißverfahren und Wärmebehandlung erforscht. Aus der Tatsache, dass Schmelzschweißverfahren wie Laserschweißen oder MIG beziehungsweise das Schweißlöten prinzipiell von der Temperatur höher liegen und sich tendenziell ähnlich hohe Abkühlgeschwindigkeiten realisieren lassen, geht er davon aus, dass diese Wärmebehandlung auch hierfür anwendbar ist. „Grundvoraussetzung ist allerdings, dass der Schweißnahtfaktor ausreichend hoch ist, also geringer Unterhang, geringe Überalterung und geringer Verlust der Festigkeit durch grobes Erstarrungskorn“, sagt der Wissenschaftler.

Bei den Schweißverfahren selbst sind nach bisheriger Erkenntnis keine speziellen Modifikationen notwendig, da die Prozesstemperaturen ohnehin oberhalb derer des Lösungsglühens liegen. „Ein wesentlicher Punkt ist allerdings die Schweißgeschwindigkeit. Diese muss so hoch sein, dass es zur Selbstabschreckung der Schweißnaht kommt und damit ein Überaltern verhindert wird beziehungsweise ein übersättigter Mischkristall erzeugt wird“, erläutert Werz weiter.

Die Eignung des Verfahrens ist bereits in Zugversuchen mit entsprechend behandelten Schweißnähten an EN AW 6016 T4 demonstriert worden. Die Erfindung wurde laut Mitteilung in Deutschland und den USA zum Patent angemeldet.

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