Morphing Tragflächen geben sich ideale aerodynamische Form von selbst
Fliegen soll immer leiser, treibstoffsparender und sicherer werden. Um dabei zu helfen, haben Forscher am Fraunhofer-LBF in Darmstadt das Morphing von Tragflächensegmenten untersucht.
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Um die hohen Ansprüche an eine zukunftsfähige Luftfahrt zu erfüllen, sind unterschiedliche Probleme zu lösen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF und ihre Kooperationspartner stellten sich dabei folgende Fragen: welches Material hat die erforderliche Formflexibilität – und zwar im gesamten Temperaturbereich? Wie lassen sich die erforderlichen Kräfte ohne Gewichtszunahme der Komponenten erreichen und zu viel Bauraum zu verbrauchen? Welche Redundanzkonzepte sind erforderlich, um die für den Luftverkehr erforderliche Sicherheit zu gewährleisten? Das digitale System der „Morphing Leading Edge“ (verformbare Tragflächenvorderkante) hat das LBF in Kooperation mit weiteren Fraunhofer-Instituten und dem Industriepartner Airbus DS im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Clean Sky 2“ entwickelt. Bis Ende Juli informierte das Institut auf der „ILA goes digital“ über solch zukunftsweisende Luftfahrtprojekte.
Carbonwerkstoff löst bestehende Zielkonflikte
Zwischen hoher Steifigkeit, welche die Hautstruktur der „Morphing Leading Edge“ (MLE) benötigt, um die hohen Luftlasten aufzunehmen, und der hohen Verformbarkeit, die für die Lösung der gestellten Aufgabe notwendig ist, besteht allerdings ein Zielkonflikt, sagen die Darmstädter. Diesen lösten die Experten durch einen Verbundwerkstoff auf Carbonfaserbasis, der auch als Leichtbaumaterial punktet. Die Dicke und der innere Aufbau des Laminats variieren dabei lokal. Der Aufbau der Hautstruktur wird so maßgeschneidert, dass an jedem Ort die genau dort benötigten Steifigkeits- und Festigkeitseigenschaften sind. Die Tauglichkeit des Materials für die erforderliche Lebensdauer wiesen die Forschenden in Werkstoffversuchen nach. Unerwünschte Eigenspannungen, die durch thermische Schrumpfung beziehungsweise Ausdehnung entstehen können, analysierten sie numerisch und lösten die Probleme konstruktiv durch geschickte Materialkombinationen. Auch integrierte man ein CNT-basiertes Enteisungssystem (CNT = Carbon Nano Tubes) und eine lasergestützte Formüberwachung ins System.
Diese Systeme sorgen für Redundanz
In der Luftfahrt herrscht der Trend zum „more electric Aircraft“, wonach der Einsatz energieintensiver Hydraulik möglichst vermieden werden soll. Zur Aktuierung der „Morphing Leading Edge“ fiel die Wahl deshalb auf elektromechanische Aktoren. Um die Zuverlässigkeit des Systems zu gewährleisten, entschieden sich das LBF-Team für ein serielles Redundanzkonzept, welches auch beim Ausfall eines Aktors die vollständige Funktionalität der MLE garantiert. Eine Überlastung der Struktur durch eine fehlerhafte, gegensätzliche Ansteuerung der beiden Aktoren werde so sicher vermieden. Auch weitere mögliche Fehlerquellen wurden im Hinblick auf ihre Folgen analysiert, um Risiken für den sicheren Flugbetrieb zu minimieren. Durch numerische Analysen ermittelten die Fraunhofer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die zu erwartenden Bauteilbelastungen durch Luftlasten und durch die Steifigkeit der Haut. Dabei legten sie die erforderlichen Kraftübertragungselemente unter Berücksichtigung der hohen Leichtbauanforderungen absolut betriebsfest aus.
Jetzt geht es an die Verwirklichung der digitalen Ergebnisse
Die Antworten aus dem Forschungsprojekt ergaben einen Vorschlag für eine konstruktive Lösung, die die unterschiedlichen Anforderungen bestmöglich erfüllen soll. „Wir planen bei einer Fortsetzung des EU-geförderten Projektes Clean Sky 2, das wir die bis jetzt nur digital entwickelten System der Morphing Leading Edge auch in Hardware bauen, um ihre Funktionsfähigkeit zu beweisen“, so Dr. Volker Landersheim, der das Forschungsprojekt am Fraunhofer-LBF betreute.
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