Autolackierung Wenn Kratzer von selbst verschwinden

Redakteur: Beate Christmann

Autos werden im Alltag zahlreichen Umwelteinflüssen ausgesetzt: Mikrokratzer im Lack lassen sich kaum vermeiden. Forscher der Universität des Saarlandes und des INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien entwicklen nun einen Autolack aus Maisstärke. Er soll in der Lage sein, sich selbst zu reparieren.

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Das Wetter ist gut. Zeit, den geliebten Wagen aus der Garage zu holen. Die Sonne scheint und spiegelt sich im Lack – doch was ist das? Zum Ärger des Besitzers kommen bei einem bestimmten Blickwinkel Tausende kleine Kratzer zum Vorschein. Das ist ärgerlich. Denn auch wenn die Mikrokratzer im Autolack harmlos sind, verschandeln sie doch die glänzende und makellose Oberfläche der Karosserie.

Ein neuer Lack von Saarbrücker Forschern soll nun Abhilfe schaffen: Wissenschaftler der Universität des Saarlandes und des INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien entwickelten gemeinsam einen Autolack aus Maisstärke. Dieser soll in der Lage sein, wegen der besonderen Anordnung seiner Moleküle kleine Kratzer selbst zu reparieren.

Maisstärke macht Struktur beweglich

Die Vernetzung über ringförmige Moleküle macht das neue Material beweglich. Dadurch soll es oberflächliche Kratzer auffüllen können und diese binnen weniger Tage verschwinden lassen. Für die dazu erforderliche netzartige Struktur verwenden die Wissenschaftler ringförmige Abkömmlinge der Maisstärke, sogenannte Cyclodextrine. Diese fädeln sie wie Perlen auf mikroskopische Kunststofffäden auf. In den so entstehenden sogenannten Polyrotaxanen sind die Perlen auf dem Faden frei beweglich und werden durch sperrige Stoppermoleküle am Abfädeln gehindert. Über eine chemische Reaktion werden die Fäden anschließend über die Perlen miteinander vernetzt. „Das entstehende Netzwerk ist beweglich und elastisch wie ein Strumpf“, erklärt Gerhard Wenz, Professor für Organische Makromolekulare Chemie an der Universität des Saarlandes.

Das Besondere an diesem neuen Ansatz sei zudem die gute Umweltverträglichkeit. Prof. Wenz erläutert: „Die Cyclodextrine sind ein Naturmaterial, welches bereits industriell aus Maisstärke gewonnen wird. Wir wollen die chemischen Reaktionen nur in Lösungsmitteln durchführen, die unbedenklich für die Gesundheit sind.“ Zwar sei das Grundprinzip solcher Lacke schon aus Japan bekannt – sie ließen sich jedoch bislang nur mit teuren Ausgangsmaterialien und hochgiftigen Lösungsmitteln herstellen.

Forschung für den industriellen Einsatz

Mit finanzieller Unterstützung des Bundes soll der umweltfreundliche, selbstheilende Lack jetzt aber auch für die spätere industrielle Anwendung untersucht und vorbereitet werden. Dazu werden die Forscher für die nächsten drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 1,1 Mio. Euro gefördert. Denn für die Anwendung im großen Stil, so Wenz, genüge es nicht, kleine Mengen im Labor zu erzeugen. Vielmehr müssten Verfahrenstechniken entwickelt werden, mit denen sich die Lacke in einer Pilotanlage im Kilogrammmaßstab herstellen ließen. Und auch das erfolgreiche Upscaling reiche nicht alleine für eine industrielle Anwendung aus.

„Die Lacke müssen die Anforderungen der Automobilindustrie erfüllen. Dazu werden wir umfangreiche Testverfahren durchführen“, sagt Carsten Becker-Willinger, Leiter des Programmbereichs Nanomere am INM. Neben der Entwicklung wirtschaftlicher Applikationsverfahren, wie der Sprühtechnik über Roboter, sind umfangreiche Verkratzungs-, Klima- und Bewitterungstests geplant. Sie sollen den Beweis erbringen, dass die Lacke im Sinne der Automobilhersteller einsetzbar sind und die Kratzer auch wirklich innerhalb weniger Tage „ausheilen“. Bei all diesen Testreihen werden die üblichen ISO-Richtlinien der Lackindustrie berücksichtigt. „Nur wenn wir diese Normrichtlinien erfüllen, ist eine industrielle Anwendung denkbar“, fasst der Saarbrücker Forscher die geplanten Aktivitäten zusammen.

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