Elektromotor Wie fit sind Elektroantriebe für die Zukunft?
Wie sieht die Zukunft des Elektromotors aus? In diesem Artikel lesen Sie, wo sich der Antrieb in Zukunft hin entwickeln kann.
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Werden wir in ferner Zukunft per Warp-Antrieb durch das All fliegen oder uns „beamen“ lassen? Das sind eher reißerische Antriebe der Zukunft, über die sich „Treckies“ freuen, doch mit der Realität hat das wenig zu tun. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir uns in Zukunft vielleicht in einer Art unterirdischer Magnetschwebebahn fortbewegen. Im Prinzip ist aber auch das reine Spekulation, denn manche Entwicklungen kommen schleichend, andere sind disruptiv. Eine Vorhersage ist deshalb schwer möglich. Dennoch: einige Trends und Entwicklungen sind absehbar. Wo es hingehen wird und hingehen kann, soll hier aufgezeigt werden.
Die bisherige Entwicklung des Elektromotors
An Elektromotoren sieht man, wie sich Produkte im Laufe von Jahrzehnten weiterentwickeln: Elektromotoren sind bereits seit über 150 Jahren in größerem Umfang im Einsatz – nicht nur in der Industrie. Zuerst kannte man nur Gleichstrommotoren, später auch Synchron- und Asynchronmotoren. Man könnte nun anmerken, dass sich ja nicht viel getan hätte, weil diese Motoren noch heute verwendet werden. Doch dazwischen liegen Welten! Im Deutschen Museum steht zum Beispiel ein Synchronmotor von BBC aus dem Jahr 1893 mit 88 kW: Ein mannshohes Ungetüm, das damals für den Antrieb einer Papiermaschine eingesetzt wurde. Heute hingegen steckt die Leistung von 100 kW bereits in einem aktuellen Direktantrieb von Voith, der ebenfalls für Papiermaschinen entwickelt wurde. Das „Voith Drive“ genannte Antriebssystem ist so kompakt, dass es direkt an der Walze angebracht werden kann. Zudem ist er mit einem Wirkungsgrad von 95 % natürlich deutlich effizienter als das Modell aus dem 19. Jahrhundert.
Zentrale Zukunfttrends für die Antriebstechnik
Doch wie werden sich industriell genutzte Antriebe beziehungsweise Antriebssysteme in Zukunft entwickeln? Auch wenn heute Innovationssprünge nicht vorhersagbar sind, so lassen sich dennoch vier zentrale Trends erkennen:
- Ressourcen- und Energieeffizienz,
- mehr Leistung in kleinerem Bauraum,
- Digitalisierung und Intelligenz,
- günstige Produktionskosten (Hersteller) und geringe Investitionskosten (Anwender).
Die Entwicklung hin zu einem geringen Ressourceneinsatz und einer höheren Energieeffizienz von Antriebssystemen ist kein neuer Trend. Viele Jahre sorgten die neuen Wirkungsgradnormen aus der Motorenverordnung 640/2009/EU für die Konstruktion immer effizienterer Elektromotoren. Die Bewertung der Effizienz eines kompletten Antriebssystems stand hingegen im Mittelpunkt der europäischen Energieeffizienznorm EN 50598 von 2015. Inzwischen haben alle renommierten Elektromotorenhersteller Energiesparmotoren im Programm – auch weil es der Gesetzgeber vorgibt. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Entwicklung mit bestehender Motorentechnik fortführen lässt. Gerade beim Asynchronmotor ist die Zukunftsfähigkeit im Hinblick auf mehr Effizienz zu bezweifeln. Schon vor zwei Jahren bemerkte Ralf Peschel, Produktmanager Niederspannungsmotoren bei ABB Automation Products: „Natürlich kann man einen Motor mit einem längeren Blechpaket und noch mehr Kupfer ausstatten, was ihn effizienter macht. Ob das allerdings sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.“ Auch Johannes Oswald von Oswald Elektromotoren sieht gerade in den Asynchron-Normmotoren keine Antriebe der Zukunft, sie seien ein Auslaufmodell. Seine Kritik richtet sich zum einen an den schon bei Peschel angeklungenen hohen Materialeinsatz, zum anderen seien sie technisch überholt. Siemens hingegen gibt zu bedenken, dass Asynchron- (und auch Synchron-) Motoren mittelfristig noch von keiner anderen Technik abgelöst werden können – ganz besonders im mittleren und hohen Leistungsbereich gäbe es bisher keine Alternative.
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Antriebssystem
Ende des Einsparpotenzials bei Elektroantrieben noch nicht erreicht
Den Elektromotor weiter zu optimieren genügt nicht
Um bestehende Technik der Elektromotoren weiterzuentwickeln, genügt es also nicht, lediglich den Elektromotor immer mehr zu optimieren. Für Oswald Elektromotoren stehen die Optimierung der gesamten Maschine und die Anforderungen des Kunden im Mittelpunkt. Für letzteren entwickeln die dortigen Ingenieure mit unterschiedlichen Direktantrieben die optimale Antriebskonfiguration. Treiber sind immer Effizienz und Dynamik, was auch in Zukunft so bleiben wird – allerdings in immer kleinerem Bauraum.
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Industrie 4.0
Antriebstechnik lernt denken für Industrie 4.0
Im Zuge von Industrie 4.0 werden Antriebskomponenten zudem mehr und mehr mit Sensorik ausgestattet, um die Zustandsdaten zu erfassen. Inzwischen haben sowohl ABB als auch Siemens Möglichkeiten entwickelt, die Niederspannungsmotoren „smart“ machen. Bei ABB ist das der sogenannte „ABB Smart Sensor“, einfach eine Sensorbox, die an jeden Niederspannungsmotor kabellos angebracht werden kann – herstellerunabhängig. Dieser Sensor liefert Daten zu Vibrationen, Temperatur oder Überlastung und ermittelt den Energieverbrauch. Eine speziell entwickelten Software analysiert diese Daten in verwertbare Informationen und stellt sie der Wartungsplanung zur Verfügung. Am Ende sollen sich damit die Stillstandzeiten reduzieren, die Lebensdauer verlängern und der Energieverbrauch reduzieren lassen.
Siemens bietet für die nächste Generation der Simotics-SD-Motoren ein Digitalisierungspaket an, das ähnlich wie die ABB-Lösung funktioniert und sich „Smart Motor Concept“ nennt: Über eine Sensorik-Box werden die Zustandsdaten aufgenommen, dann aber – anders als bei ABB – in der Siemens-eigenen, cloudbasierten Mindsphere ausgewertet. Die dazugehörige App stellt schließlich die Informationen dem Maschinenbetreiber zur Verfügung. Außerdem kann man über den am Motor angebrachten Datamatrix-Code den Motor identifizieren und sowohl auf die Motorinformationen als auch auf die 3D-Modelle der Konstruktion zugreifen
Damit wird deutlich: Die Digitalisierung hat die Antriebstechnik bereits heute verändert und wird sie auch in Zukunft spürbar beeinflussen. In diesem Zusammenhang spielt auch die immer stärkere Integration eine Rolle. Zum einen werden zukünftig Antriebe immer weiter in die Arbeitsmaschine integriert; zum anderen verschmelzen auch Steuerung, Motor und Getriebe mehr und mehr zu einer Einheit .
Integration von Antriebskomponenten und Elektronik
Eine ganz andere Art der Integration zeigt die TU Wien mit der Entwicklung des Planetenmotors, den sie 2017 auf der Hannover Messe vorgestellt hatte. Wie es der Name schon sagt, vereint der Planetenmotor Getriebe und Motor zu einem kompakten, effizienten Elektroantrieb. Er löst sich von der Denkweise, dass Getriebe und Motor zwei getrennte Einheiten sind.
Das Team um Prof. Manfred Schrödl suchte nach einem Weg, die Leistungsgrenzen von hochdrehenden Elektromotoren, wie sie beispielsweise für die Elektromobilität benötigt werden, durch Erhöhung der Rotordrehzahlen bei gleichbleibender Umfangsgeschwindigkeit anzuheben. Daraus entstand der neue Ansatz, Motor und Getriebe zu kombinieren, wobei der Motor als ein verteiltes System mit mehreren Rotoren und das Getriebe als Planetengetriebe ausgeführt sind. Der erste Schritt war, die Elektromotoren zu einer Einheit zu kombinieren: Wenn man mehrere Motoren auf geometrisch geschickte Weise nebeneinander anordnet, dann sind manche Abschnitte der unbewegten Motorteile, der sogenannten Statoren, magnetisch nicht mehr nötig. So kann man die Gesamtstruktur vereinfachen, was Platz spart und Verluste reduziert.
„Wir verwenden beispielsweise vier elektrische Maschinen mit dreisträngiger Wicklung. Insgesamt hat man also zwölf magnetische Spulen“, erklärt Schrödl. „Durch unsere Anordnung der Maschinen kommt man allerdings mit sechs Spulen aus.“ Zwei Rotoren treiben gemeinsam einen großen, innengezahnten Zahnkranz an, die anderen beiden Rotoren, die in die andere Richtung drehen, treiben ein etwas kleineres, außengezahntes Rad. Dabei entsteht ein Bild, das einem einstufigen Planetengetriebe ähnelt. So kam der elektrische Planetenmotor zu seinem Namen. „Das Getriebe, das wir damit direkt in den Motor und seinen Abtrieb integrieren, ist extrem einfach. Damit steigern wir den Wirkungsgrad und senken die Herstellungskosten“, so Schrödl. Die Regelung ist unkompliziert: Sensorlos wird die aktuelle Rotorposition über die stromführenden Kabel ausgelesen.
Als zukünftige Alternative bietet sich dieses Antriebssystem ganz besonders für Antriebsaufgaben mit einem Untersetzungsgetriebe an, denn dann können sehr kompakte Lösungen mit weniger mechanischen Bauteilen entstehen. Der Prototyp hat bereits gezeigt, dass bei gleichem Volumen die Leistungsdichte um bis zu 50 % gesteigert werden konnte, eine weit höhere Belastung bei gegebener Verzahnung- und Materialqualität sowie eine extrem flache Bauweise möglich sind. Für eine verbreiteten Einsatz könnten zwei ausschlaggebende Argumente sprechen: die geringeren Herstellungskosten und die Möglichkeit der Fertigung mit erhöhtem Automatisierungsgrad.
Weiterentwicklung bestehender Produkte oder neue Technik verfolgen?
Bestehende Antriebssysteme immer weiter zu optimieren, kann Unternehmen in eine Sackgasse führen oder vorhandene Technik zukunftsfähig machen. Ein Beispiel für Letztere ist die Reluktanztechnik, auf die einige Antriebstechnikhersteller setzen und die bisher in der Industrie selten eingesetzt wird. Während ABB und Siemens bereits seit ein paar Jahren Synchronreluktanzmotoren anbieten, widmet sich das elektrotechnische Institut (ETI) der Universität Karlsruhe der Weiterentwicklung des geschalteten Reluktanzmotors. Beide Motoren benötigen in der Regel einen Umrichter.
Aber auch vorhandene Permanentmagnet-Servomotoren bieten noch genügend Potenzial für zukünftige Entwicklungen. Wie Johannes Oswald berichtet, muss daran gearbeitet werden, solche Technologien durch den Einsatz moderner Berechnungs- und Simulationsprogramme vor allem im Hinblick auf elektromagnetische und mechanische Fragestellungen zu verbessern. Allerdings sind aber auch dann keine großen Technologiesprünge zu erwarten.
Zu den Technologien, die bisher noch im Forschungs- und Versuchsstadium stecken, gehören supraleitende Antriebe, an denen vor allem Festo und Oswald arbeiten. Thomas Reis, Abteilungsleiter für die Supraleiter-Motorenentwicklung bei Oswald Elektromotoren: „Wir haben das Ziel, vollständig supraleitende Antriebe zur Marktreife zu entwickeln und so den Einsatz von elektrischen Antrieben in Gebieten zu ermöglichen, die mit aktuellen Technologien oder deren Weiterentwicklung nicht abgedeckt werden können.“ Bei Oswald wird der Stator des Motors supraleitend ausgelegt; dieser muss auf unter -200 °C mit Helium-Gas gekühlt werden. Dieser Aufwand ist allerdings noch so hoch, dass es die Effizienz des Motors zunichte macht. Als Einsatzbereich sieht Oswald weniger die Industrie, sondern vorrangig die Luftfahrt, denn supraleitende Torquemotoren könnten einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der Antriebsaufgabe in Verkehrsflugzeugen leisten. Hier wird geringstes Gewicht pro Leistung gefordert, was eigentlich nur mithilfe supraleitender Motoren möglich ist.
Supraleiter wären für die Automatisierung das ideale Antriebssystem
Konzepte für die industrielle Nutzung in der Automatisierung zeigt allerdings Festo. Abgesehen von der Kryotechnik – und die ist wegen des beschriebenen Aufwands der eigentliche Knackpunkt – wären Supraleiter das ideale Antriebssystem für die berührungslose, energieeffiziente, verschleißfreie Bewegung und Handhabung von Objekten in der Industrie. „Automatisierung kann damit auch in Bereiche vordringen, die bislang als nicht oder nur sehr schwer automatisierbar galten“, sagt Georg Berner, Leiter Strategische Unternehmensentwicklung Konzern-Holding bei Festo und Projektkoordinator für die sogenannten Supramotion-Konzepte. Inzwischen gibt es verschiedenste Anwendungsszenarien: schwebende Transportschlitten, die hochdynamisch verfahren und präzise positioniert werden können oder schwebende, magnetische Transportwalzen beispielsweise zum Transport von Objekten auf einer Trägerplatte.
Auch wenn der Einsatz von Supraleitern in der Automatisierung noch in der Entwicklung ist, so zeigen sich doch mehr und mehr Anwendungsmöglichkeiten: zum Beispiel überall dort, wo eine berührungslose Handhabung gefragt ist, wie bei räumlicher Trennung oder im Umgang mit empfindlichen Objekten.
Ob sich nun mit der Weiterentwicklung und Optimierung bestehender Systeme die gewünschten Technologiesprünge realisieren lassen oder Fortschritt nur durch Disruption möglich ist, wird sich ohnehin erst im Nachhinein zeigen. Sicher ist, dass bestimmte Technologien die zu Beginn genannten Trends in Zukunft nur noch bedingt erfüllen können. Dann sind neue Konzepte gefragt, – vielleicht wie der Planetenmotor oder aber auch wie das Galaxie-Getriebe vom Antriebstechnik-Hersteller Wittenstein mit dem völlig neuen Zahneingriff – die bestehende Technik auf den Kopf stellen und für tatsächliche Innovationen sorgen.
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Galaxie-Antriebssystem
Grenzen des Potenzials von Galaxie noch nicht in Sicht
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