Daten als Ressource Was ist Datenmonetarisierung und warum gelingt sie deutschen Industrieunternehmen noch nicht?

Ein Gastbeitrag von Nikita Fjodorovs, Franziska Sommer und Maximilian Schacht* Lesedauer: 6 min

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Obwohl immer mehr Unternehmen den Wert von Daten für sich entdecken und intern zu nutzen beginnen, wird dem Datenaustausch und der Datenmonetarisierung bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Was hindert die Firmen und welche Handlungsoptionen haben sie?

Datenzugriff und -nutzung sind für produzierende Unternehmen zunehmend wettbewerbsentscheidend.
Datenzugriff und -nutzung sind für produzierende Unternehmen zunehmend wettbewerbsentscheidend.
(Bild: frei lizenziert / Unsplash)

In den letzten Jahren rücken immer mehr Digitalkonzerne an die Spitze der wertvollsten Unternehmen. Dabei haben diese eine Gemeinsamkeit: Im Gegensatz zu traditionellen Industrieunternehmen ist der größte Anteil der Unternehmens- beziehungsweise Börsenwerte dieser Konzerne nicht durch physische Assets bestimmt, sondern durch den immateriellen Wert vorhandener Daten, Informationen und informationstechnischer Dienste.[1] Datenzugriff und -nutzung sind also zunehmend wettbewerbsentscheidend und begründen die Notwendigkeit zur digitalen Transformation etablierter Geschäftsmodelle und -prozesse innerhalb der produzierenden Industrie.[2]

Deutsche Digitalunternehmen fehlen an der Spitze. Die ersten Plätze werden von den USA und China dominiert. Zudem hat die Corona-Pandemie in Deutschland Schwachstellen im Bereich Digitalisierung besonders deutlich werden lassen.[3] Aus diesem Grund hat der Forschungsbeirat Industrie 4.0 die Erstellung einer Expertise mit dem Ziel beauftragt, den aktuellen Stand in der deutschen Industrie in Bezug auf den Aufbau, die Nutzung und die Monetarisierung industrieller Datenbasis zu untersuchen und Handlungsoptionen zur Verbesserung der Situation zu erarbeiten.

Was ist eine industrielle Datenbasis?

Eine industrielle Datenbasis ist als die Gesamtmenge an Daten zu verstehen, die ein Unternehmen intern, z. B. durch eigene Prozesse, oder extern, beispielsweise durch die Erhebung der Produktnutzungsdaten, generiert oder erhebt und die somit potenziell zur Nutzung und Monetarisierung zur Verfügung steht.

Was bedeutet Datenmonetarisierung für Unternehmen?

Der Begriff Datenmonetarisierung umfasst zum einen das Erkennen und Umsetzen von ökonomischen Potenzialen verschiedenster Unternehmensdaten, zum anderen den konkreten Tausch von Daten gegen Geld. Der Vorgang der Monetarisierung erstreckt sich daher von einer internen, impliziten Bewertung bis hin zur externen, konkreten und situativen Wertzuweisung. Die Datenmonetarisierung – intern oder extern – tritt als zentraler Treiber der Digitalisierung auf, da sie Investitionen rechtfertigt und die Profitabilität der Unternehmen sichert.[4]

Ein Faktor für erfolgreiche Datenmonetarisierung ist die Ermittlung des potenziellen Gewinns. Dort, wo die realistische Abschätzung des generierbaren Werts, zum Beispiel durch Kosteneinsparungen oder Produktivitätsgewinne, mit klassischen Kennzahlen und Investitionsrechnungsverfahren abbildbar ist, werden solche Entscheidungen heute zumeist entsprechend der Aufwand-Nutzen-Relation getroffen, beispielsweise bei der Komplexität von Produktportfolios.[5] Auf die Bewertung von Daten haben jedoch eine Vielzahl von Faktoren wie die Nutzung, Teilbarkeit oder Qualität einen Einfluss, sodass Abschätzungen hier mit Unsicherheit behaftet und zudem aufwendig sind.[6] Da diese Faktoren zusätzlich stark von subjektiven Meinungen abhängen, gibt es keine allgemeingültigen Bewertungsmodelle.

Produzierende Unternehmen können an mehreren Stellen von der Datenmonetarisierung profitieren. Durch die interne Nutzung von Unternehmensdaten lassen sich Prozesse und Produkte optimieren sowie langfristig Kosten reduzieren. Extern erfolgt die direkte Monetarisierung von Daten über die Vermarktung eines Leistungsangebots. Hierzu bieten sich verschiedene Möglichkeiten an: der Verkauf von Rohdaten, neuer datenbezogene Leistungen wie Smart Services – auch in Kombination mit einem Produkt wie der vorausschauenden Wartung einer Pumpe und produktunabhängige Leistungen wie datenbezogene Unternehmensexpertisen.

Methodik der Expertise

Zur Identifizierung des Status quo und der Herausforderungen deutscher Unternehmen zum Thema Datenmonetarisierung wurde zunächst eine Fragebogenstudie durchgeführt. Zielgruppe war die produzierende Industrie mit Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen. Auf Basis der Fragebogenstudie wurden Unternehmen identifiziert, die sehr gut in den Handlungsfeldern Aufbau, Nutzung und Monetarisierung der industriellen Datenbasis abgeschnitten hatten. Mit Vertretern solcher Unternehmen wurden dann Experteninterviews durchgeführt, um die Ergebnisse der Befragung zu validieren sowie Best Practices zu identifizieren. Zusammen mit ergänzender Literatur wurden aus den Erkenntnissen der Fragebogenstudie und Experteninterviews Handlungsoptionen an Unternehmen und deren Umfeld – Verbände, Politik und Wissenschaft – formuliert.

Hürden bei der Datenmonetarisierung in Unternehmen

Auf dem Weg zur erfolgreichen Datenmonetarisierung sind in vielen deutschen Unternehmen noch einige Herausforderungen zu meistern.

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Häufig ist keine ausreichend gute Datenbasis verfügbar. In vielen Unternehmen besteht keine ausreichende Qualität für eine weiterführende Nutzung oder Monetarisierung von Daten. Zu den häufigsten Mängeln zählen geringer Umfang der Daten, Unvollständigkeit oder gar Fehler in den Daten. Inkonsistente oder fehlerbehaftete Daten sind nicht für die Verwertung geeignet und die daraus gewonnenen Informationen sind nicht glaubwürdig. Dies senkt das Vertrauen in Daten und verhindert eine datenbasierte Entscheidungsfindung. Darüber hinaus sind Unternehmen sich oft nicht über existierende Datenquellen im Klaren. Ein Ergebnis der Experteninterviews ist, dass im Umgang mit Datenquellen teilweise Kreativität und Vorstellungskraft fehlen, wofür die Daten verwendet werden könnten. Damit geht auch die geringe Digitalisierung interner Prozesse einher. Fehlt es an interner Digitalisierung, können Daten nicht, oder nur mit hohem Aufwand, verfügbar gemacht werden.

Weitere Hürden bestehen seitens der Kunden in der geringen Bereitschaft, Daten zu teilen sowie aufseiten der Unternehmen in Form von mangelnden Möglichkeiten und Kompetenzen auf Daten zuzugreifen oder diese sinnvoll zu nutzen. In Deutschland ist, verglichen mit anderen Ländern, die Bereitschaft gering, Daten zu teilen, selbst wenn dem ein Wert gegenübersteht.[7] Dieses Problem betrifft sowohl B2C- als auch B2B-Beziehungen. Darüber hinaus haben Maschinen- und Anlagenhersteller im Gegensatz zu vielen Tech-Unternehmen keinen etablierten und einfachen Zugriff auf Daten, die deren Produkte beim Kunden generieren: Dies bedarf einer Installation besonderer Kommunikationsmodule oder Zugriffe auf die Datenbanken beim Kunden.

Auch rechtliche Unsicherheiten hemmen viele Unternehmen bei der Datenmonetarisierung: Tatsächlich ist rechtlich noch nicht klar, wer Eigentümer der erzeugten Daten ist. Initiativen wie GAIA-X oder der von der EU vorangetriebene Regulierungsvorschlag Data Act beschäftigen sich mit dieser Fragestellung. Die befragten Experten wünschen sich mehr Klarheit und Unterstützung hinsichtlich des Datenrechts.

Eine andere Herausforderung liegt im Vertrieb von Daten oder digitalen Services. Der Vertrieb von physischen Produkten und von digitalen Services unterscheiden sich voneinander. Ein physisches Produkt muss nur einmal verkauft werden und es generiert sofort einen Umsatz, wohingegen digitale Services als langfristiges Angebot vorgesehen sind und an die wechselnden Kundenanforderungen angepasst werden müssen. Bei der Incentivierung besteht eine weitere Herausforderung darin, dass Vertriebsboni in der Regel umsatzabhängig sind, wodurch es in der Industrie viel lukrativer ist, teure physische Produkte zu verkaufen als günstigere Datenprodukte und Services. Digitale Produkte haben daher kaum Bedeutung im Zielsystem eines reinen Produktvertriebs.

Die Datenmonetarisierung wird auch durch eine fehlende Bewertungs- oder Quantifizierungsmöglichkeit des Nutzens erschwert. Zwar ist das Bewusstsein, dass Daten eine wertvolle Ressource darstellen, in vielen Firmen vorhanden. Doch ohne die Möglichkeit, den Wert der Datennutzung genau zu bestimmen, fürchten Unternehmen vor allem, zu viele ihrer Daten preiszugeben, ohne einen passenden Gegenwert dafür zu erhalten.

Die Expertise informiert neben den Herausforderungen der Industrie auch über eine quantitative Auswertung des Umsetzungsgrades verschiedener Aspekte des Aufbaus, der Nutzung und der Monetarisierung einer industriellen Datenbasis und bietet konkrete Handlungsoptionen.

Quellen:

[1] Tamir, M., Miller, S., Gagliardi, A.: The Data Engineer, 2015

[2] Akred, J., Samani, A.: Your Data Is Worth More Than You Think, MIT Sloan Management Review, 2018.

[3] Delcker, J.: Germany and digitalization: Why can't Europe's richest country get up to speed?, 2021.

[4] Trauth, D.: Monetarisierung von Daten am Beispiel von Fertigungsmaschinen. In: Trauth, D., Bergs, T., Prinz, W. (Hrsg.): Monetarisierung von technischen Daten. Innovationen aus Industrie und Forschung, Berlin [u. a.]: Springer Vieweg 2021, S. 1-16.

[5] Budde, L., Friedli, T.: Komplexitätsmanagement in Zeiten von Industrie 4.0 und wachsender Digitalisierung. In: Wirtschaftsinformatik und Management, 9:2, 2017, S. 28-39.

[6] Stein, H., Maaß, W.: Monetäre Bewertung von Daten im Kontext der Rechnungslegung. In: Trauth, D., Bergs, T., Prinz, W. (Hrsg.): Monetarisierung von technischen Daten. Innovationen aus Industrie und Forschung, Berlin [u. a.]: Springer Vieweg 2021, S. 115-130.

[7] Brandt, M.: Deutsche behalten Daten lieber für sich, 2018.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal Industry of Things erschienen.

* Nikita Fjodorovs gehört der Fachgruppe Produktionsregelung im Bereich Produktionsmanagement des FIR an der RWTH Aachen an.

* Franziska Sommer arbeitet in der Fachgruppe Service Sales Engineering im Bereich Dienstleistungsmanagement des FIR an der RWTH Aachen

* Dr. Maximilian Schacht ist Stellvertretender Bereichsleiter Dienstleistungsmanagement des FIR an der RWTH Aachen

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