Finanzen Investoren stehen auf grüne Anlagen
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Die Maschinen- und Anlagenbauer können den Nachhaltigkeitstrend für substanzielles Wachstum nutzen. ESG-Kriterien werden zum Maßstab bei Auftragsvergaben und Investitionen.

Das erste klimaneutrale Stahlwerk entsteht in der schwedischen Region Norbotten. Dort soll ab 2025 grüner Stahl auf Basis von Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden. Mit der kompletten Prozessausrüstung wurde die SMS-Group, zusammen mit Paul Wurth und dessen Konsortialpartner Midrex beauftragt.
Man habe bei privaten Anlegern und Risikokapitalgebern ursprünglich 150 Millionen Euro einsammeln wollen; am Ende seien es 260 Millionen gewesen. „Das ist ein Zeichen der Stärke unseres Projekts, zeigt aber auch den Appetit auf nachhaltige Geschäftsvorhaben im Allgemeinen“, so Karin Hallstan, Sprecherin des Initiators H2 Green Steel.
Die Investition von über einer Milliarde Euro gilt als Leuchtturmprojekt für den Green Deal der EU, bei dessen Umsetzung der Maschinenbau eine zentrale Rolle spielt. Verfahrensinnovation und effizienzsteigernde Prozesse sind ein Schlüssel zur Nachhaltigkeit in der Produktion und damit zum Kapitalmarkt. Im Jahr 2021 haben private Anleger mit 131 Milliarden Euro siebenmal so viel Geld in nachhaltige Fonds gesteckt wie 2009. Bei institutionellen Investoren stieg die Summe um ein Viertel auf 232 Milliarden Euro. Experten erwarten, dass die Emissionen von ESG-Anleihen in Europa bis 2026 auf 1,4 bis 2,6 Billionen Euro steigen.
Druck des Marktes
Für Banken und Fonds sind Nachhaltigkeitsfinanzierungen ein schnell wachsendes Geschäftsfeld. Gleiches gilt für Wagniskapital-Geber. Privat-Equity-Gesellschaften, die ESG-Kriterien nicht ausreichend berücksichtigten, hätten es in Zukunft schwer, Investoren anzuziehen, so Thomas Frey, Leiter des Produkt-Bereichs bei Lunis Vermögensmanagement. Bei Krediten etablieren sich sogenannte Sustainability Linked Loans (SLL). Bei diesen ist der Zinssatz an bestimmte Nachhaltigkeitsziele oder Kennzahlen gebunden.
Neben hausinternen ESG-Kriterien von Banken und Fonds haben sich Ratingstandards etabliert, etwa der Dow Jones Sustainability World Enlarged Index, EcoVadis, die Green Bond Principles der International Capital Markets Association (ICMA) und das MSCI World ESG Framework. Dessen Untervarianten stellen zum Teil noch schärfere Anforderungen. Beim „SRI Low Carbon Select 5 % Issuer Capped Index“ liegen die zulässigen CO2-Emissionen um 75 Prozent niedriger als beim MSCI World.
Vor allem mittlere Unternehmen spüren bei Finanzierungen einen zunehmenden Druck von Nachhaltigkeitsratings, ergab eine vor Kurzem veröffentlichte VDMA-Umfrage. Größere Unternehmen haben sich mit dem Thema schon länger befasst und treiben ihre grünen Agenden voran.
Beispielsweise ist eine kürzlich von Mann+Hummel abgeschlossene Kreditlinie über 800 Millionen Euro an ein Rating durch Ecovadis gekoppelt. Der Zins steigt oder sinkt je nach den Ratingergebnissen. Im Juni 2022 begab Siltronic, einer größten Hersteller von Siliziumscheiben für die Halbleiterproduktion, einen ESG-linked-Schuldschein über 300 Millionen Euro. Bereits 2019 hatte Dürr als erstes Unternehmen einen ESG-linked-Schuldschein über 200 Millionen Euro abgeschlossen, dessen Verzinsung sich ebenfalls nach einem Ecovadis-Rating richtet. ZF finanziert aus einer ICMA- und Taxonomie-basierten Anleihe von 500 Millionen Euro seine Windkraft-Sparte und die Elektromobilität.
Lieferketten im Fokus
Der größte Teil der CO2-Emissionen wird über die Lieferkette eingekauft. „Die Hälfte bis 90 Prozent entsteht im Ausland durch Lieferanten in der Metallverarbeitung“, so Verena Deller, Principal bei Inverto, der auf Einkauf und Supply-Chain spezialisierten Tochtergesellschaft der Boston Consulting Group. Beispiele seien der Kohlestrom in China und Luftschadstoffe, vor allem bei Produktionen in China und Südostasien, aber auch in den USA. In Ländern der Dritten-Welt- und Schwellenländern berge der dortige Umgang mit Rohstoffen wie Zink, Tantal, Neodym oder Kobalt hohe Risiken. Lange Transportwege und stark verzweigte Lieferketten verursachten zudem hohe Treibhausgas-Emissionen.
Zu den wichtigsten Handlungsfeldern gehören eine Reduktion des Materialeinsatzes, der Bezug von zertifizierten Rohstoffen wie „Green-Steel“ und auf eine ESG-Kriterien ausgerichtete Beschaffung. Hier offenbart die VDMA-Umfrage strategischen Handlungsbedarf. In 33 Prozent der Unternehmen ist hauptsächlich das Umweltmanagement für die ESG-Umsetzung verantwortlich, in 24 Prozent eine eigene Nachhaltigkeitsabteilung, aber in nur 6 Prozent der Einkauf. Und nur ein Viertel der Unternehmen verfügt über integrierte Managementsysteme.
„Beispielsweise lassen sich Preisvergleiche durch einen CO2-Gewichtungsfaktor ergänzen und anhand von Scoring-Modellen kann der Einfluss von Lieferanten sowie deren Zuverlässigkeit bei der Umsetzung von Vereinbarungen gemessen werden“, so Deller. Vertragsanpassungen, Audits oder Lieferantenworkshops, aber auch Lieferantenwechsel, könnten daraus resultierende Maßnahmen sein.
Aus dem globalen Einkauf erwächst aber auch eine Mitverantwortung für zweifelhafte Geschäftspraktiken, Gesetzesverstöße, Umweltsünden oder unfairen Umgang mit Arbeitnehmern. Deller: „Aufgrund der Situation in vielen Lieferregionen besteht ein erhöhtes Risiko von Verstößen gegen Arbeitsrechts- und Sozialstandards.“ Aber nur knapp 40 Prozent der Unternehmen analysieren Risiken durch Konfliktmineralien, Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen.
Mittel- bis langfristig ließen sich Produkte durch Substitute aus europäischer Produktion ersetzen. Umstellungsprozesse dauerten allerdings Monate bis mehrere Jahre und könnten nur in enger Zusammenarbeit von Einkauf, Forschung & Entwicklung, Verkauf und Qualitätsmanagement bewältigt werden. „Die Umsetzung einer ESG-Agenda ist damit auch eine Frage der Unternehmenskultur“, so die Expertin von Inverto.
* Manfred Godek arbeitet als freier Autor für MM Maschinenmarkt
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