Wandel im Presswerk Karosseriebauer finden neue Antworten
Ob Digitalisierung oder Leichtbau – die Automobilbranche steht vor rasanten Umwälzungen. Auch der Karosseriebau ist daran beteiligt, Antworten darauf zu finden, wie sich auf dem 8. Chemnitzer Karosseriekolloquium zeigte.
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Ein Presswerk mit selbststeuernden Prozessen, sich selbst überwachenden Komponenten, die selbst ihren Verschleiß melden und sich ausregeln sowie eine automatische Erfassung der Qualität mit direkter Meldung an die Zentrale – das gehört für Christian Borowetz, Leiter Fertigungstechnologien bei Volkswagen, zu einer digital vernetzten Fertigung. Ein Schlüsselfaktor ist für ihn die durchgängige Transparenz von der Entwicklung über die Planung bis in die Produktion. In letzterer setzen autonome und universell nutzbare Anlagen die Fertigungsschritte eigenständig um. Dazu ist bei der Planung des Presswerks ein Szenariomanagement statt einer detaillierten Layout- und Anlagenplanung notwendig, einschließlich Prozesssimulation sowie Flexibilitäts-, Qualitäts- und Kostenbewertung. „Neue Prozesse erfordern neue Planungssysteme“, sagte Borowetz.
Big Data und Datenanalysen werden im Presswerk wichtiger
Wichtige Hilfsmittel auch im Presswerk werden für ihn Big Data und Datenanalysen; er erwartet eine Steigerung der Performance durch intelligente Maschinen und Systeme. Das beginnt bei aktiven Komponenten, deren Kennwerte in der Produktionsanlage erfasst werden, die sich selbst nachjustieren – ohne Eingreifen des Pressenbedieners und die selbst zur vorausschauenden Wartung beitragen. Hinzu kommt eine Inline-Qualitätskontrolle mit Messsystem und optischer Inspektion, die ihre Messergebnisse an die Zentralsteuerung übermittelt. Diese wiederum erfasst alle Daten zentral und stellt sie situations- beziehungsweise kontextbezogen bereit. Eine Werkstoffprüfung schließlich erfasst die Kennwerte, spielt die Daten an die Produktionssteuerung zurück und ermöglicht einen geringeren Ausschuss durch den Ausgleich von Prozessschwankungen. Im Endeffekt entsteht ein Presswerk mit selbststeuernden Prozessen durch die Kopplung der Einzelverfahren mit mehr Transparenz und Produktivität, reduzierten Stillstandszeiten, einer 100%-Prüfung und weniger Ausschuss. „Die Begrenzung von Aufwand und Kosten ist eine der wichtigsten Herausforderungen“, erläuterte Borowetz dazu weiter.
Wie sich der Karosseriebau auf die steigenden Leichtbauanforderungen einstellen kann, zeigte Dr. Christian Koroschetz, CTO des schwedischen Pressenherstellers AP&T. Das Unternehmen hat für Autohersteller Warmumformlinien für 7000er Aluminiumlegierungen entwickelt. Angesichts des EU-Ziels, die CO2-Emissionen von Pkw bis zum Jahr 2020 auf 25 g/km zu senken, ist eine leichte Karosserie der Schlüssel, um es zu erreichen. „Nur mit einer leichten Karosse habe ich die Möglichkeit, bei Elektroautos die Reichweite zu erhöhen und bei Verbrennungsantrieben ein Downsizing zu betreiben“, sagte er. Dabei habe die Reise der leichten Materialien im Karosseriebau gerade erst begonnen.
Aluminium-Warmumformung anders als Stahl
Allerdings gibt es bei der Aluminium-Warmumformung einen wesentlichen Unterschied zum Stahl: Das Presshärten funktioniert nicht. „Man kann Aluminium nicht in der Presse härten, sondern muss es in einem nachgelagerten Prozess machen“, erläuterte Koroschetz. Um die mechanischen Eigenschaften einzustellen, hat das Unternehmen einen der Umformung nachgelagerten Alterungsprozess entwickelt. Im Gegenzug genügen beim Aluminium schon geringere Temperaturen – für die Halbwarmumformung sind es 250 bis 400 °C, für die Warmumformung über 400 °C. Beim Presshärten von Stahl sind hingegen Temperaturen von etwa 900 °C notwendig.
Ein großes Thema bei der Warmumformung von Aluminium sind nach Aussage von Koroschetz zudem der Werkzeugverschleiß und das Aufbacken des Aluminiums. AP&T forscht dafür an einer Kombination aus richtiger Beschichtung und Schmierstoff, hat dies aber noch nicht vollständig abgeschlossen. „Für uns haben wir bereits Beschichtung und Schmierstoff gefunden, mit denen wir in einem Serienproduktionsprozess den Verschleiß vermeiden können“, sagte der CTO.
IHU und Presshärten kombiniert
Für die Stahlumformung stellte Christian Juricek von Magna Cosma International einen neuartigen Prozess vor: das Hot Metal Gas Forming oder IHU-Presshärten. Der Automobilzulieferer hat diese Verfahrenskombination aus Innenhochdruckumformung (IHU) und Presshärten gemeinsam mit dem Fraunhofer-IWU in Dresden entwickelt, um eine Dachrahmenverstärkung zu realisieren.
Diese besteht aus einem Rohr mit 40 mm Außendurchmesser, 2 mm Wanddicke und circa 2400 mm Länge, das Material ist 22MnB5-Stahl. Eine große Herausforderung in der Fertigung entsteht dadurch, dass die Querschnitte über die Bauteillänge sehr stark variieren. Das IHU-Presshärten kombiniert dabei die Vorteile des Presshärtens – unter anderem Leichtbaupotenzial, Formgenauigkeit durch geringe Rückfederung und Härteverzug sowie ein sehr gutes Crashverhalten – mit den Möglichkeiten der IHU zur Herstellung komplexer Geometrien.
Der Prozess läuft dabei folgendermaßen ab: Nach der Vorformung wird das Werkstück in einer ersten Phase auf 930 °C erhitzt und bleibt 400 s im Ofen. In einer anschließenden Transferphase wird es vom Ofen in die Umformpresse verbracht, das Rohr wird geschlossen und mit 600 bar beaufschlagt. Gekühlte Werkzeughälften bewirken auch das Abschrecken, das beim Presshärten erforderlich ist. Danach wird das Bauteil aus der Presse entnommen und kühlt an der Luft weiter ab.
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