Finanzen Mittelständler in Europa wegen Corona verschuldet

Redakteur: Melanie Krauß

Europäische Mittelständler sind nach dem Coronaschock hoch verschuldet. Besonders betroffen davon sind Frankreich und Italien.

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Der deutsche Mittelstand ist im Vergleich zu seinen europäischen Pendants bisher relativ gut durch die Krise gekommen.
Der deutsche Mittelstand ist im Vergleich zu seinen europäischen Pendants bisher relativ gut durch die Krise gekommen.
(Bild: ©Zerbor - stock.adobe.com)

Insbesondere in Frankreich und Italien geht die Covid-19-Pandemie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) an die Substanz: Ihnen fehlen aktuell Finanzmittel in Höhe von schätzungsweise insgesamt rund 100 Mrd. Euro – trotz der umfangreichen Konjunkturpakete und nach Ausschluss von sogenannten „Zombie“-Unternehmen.

Auch in Deutschland fehlen KMU rund 3 Mrd. Euro an Finanzmitteln zu einer ausreichenden Rekapitalisierung. Angesichts der fehlenden 70 Mrd. Euro in Italien und etwa 29 Mrd. Euro in Frankreich stehen die hiesigen Mittelständler allerdings weitaus besser da. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Analyse des Kreditversicherers Euler Hermes.

„Europäische Mittelständler weisen eine sehr hohe Verschuldung auf, eine erheblich verschlechterte Profitabilität und eine nicht ausreichende Kapitalisierung“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Das ist mittelfristig eine denkbar schlechte Kombination für die Zahlungsfähigkeit dieser Unternehmen. Insbesondere in Italien und Frankreich spitzt sich die Lage durch Covid-19 zunehmend zu, auch wenn die zahlreichen Konjunkturpakete zumindest eine kurzfristige Liquiditätskrise vermieden haben.“

Auch hierzulande ist die Verschuldung durch zahlreiche Liquiditätsmaßnahmen gestiegen. Insbesondere in Frankreich aber ist sie im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (81 % des BIP) fast doppelt so hoch als in Deutschland (43 % des BIP). In Italien ist die Verschuldung mit 65 % des BIP ebenfalls überdurchschnittlich hoch im europäischen Vergleich (Durchschnitt: 63 %).

Bei Profitabilität sind französische KMU Schlusslicht in Europa

„Französische Mittelständler sind in Europa zudem in puncto Profitabilität inzwischen Schlusslicht, noch hinter Italien“, sagt Ana Boata, Leiterin Makroökonomie bei Euler Hermes. „Die Profitabilität französischer KMU ist seit Jahresbeginn um 7 Prozentpunkte drastisch gesunken im Vergleich zu -0,6 Prozentpunkten in Deutschland. In Italien dürfte die Profitabilität nach unseren Schätzungen ebenfalls um bis zu 3 Prozentpunkte gesunken sein. Die Eigenkapitalquote ist in Italien mit 33 % die niedrigste und damit deutlich unterhalb der 40 %, die in der Regel als adäquat gelten. In Italien besteht demnach der größte Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln für eine Rekapitalisierung.“

In Frankreich liegt die Eigenkapitalquote der KMU bei 37 %, in Deutschland mit 39 % nur knapp unterhalb der empfohlenen Kapitalausstattung. Bei der Analyse haben die Volkswirte Unternehmen bereits herausgerechnet, die schon vor der Covid-19-Pandemie praktisch nicht überlebensfähig waren.

„Ein Großteil der Mittelständler erweist sich auch in der aktuellen Krise als sehr robust, insbesondere in Deutschland, sagt Van het Hof. „Diese Tatsache, darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihrem Schatten in Europa zahlreiche Zombie-Unternehmen gibt – auch schon vor der Covid-19-Pandemie.“ In Italien waren laut Euler Hermes beispielsweise schon vor der Krise rund ein Fünftel der Mittelständler wirtschaftlich eigentlich gar nicht mehr lebensfähig, in Frankreich (11 %) und Deutschland (10 %) waren es nur etwa halb so viele. Allerdings dürfte sich die Anzahl mit der aktuellen Krise sprunghaft erhöht haben, ebenso wie der Finanzierungsbedarf der KMUs. „Besonders eng wird es für die Unternehmen und Branchen, die vor der Krise kaum Puffer hatten“, so die Einschätzung des Experten.

In Deutschland war die Eigenkapitalquote vor der Pandemie in der Transportbranche besonders niedrig: In der Schifffahrt lag sie bei rund 32 %, in der Luftfahrt bei 29 %. Mit Covid-19 hat sich die bestehende Finanzierungslücke nochmals vergrößert. In Frankreich und Italien hatten Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe sowie im Maschinenbau und Handel besonders schlechte Ausgangspositionen und daher jetzt den größten Kapitalbedarf.