Robotik-Experte im Interview Wie die nächste Generation Robotik smart wird
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Kollaborative Robotik? Kein neues Thema, aber eins, in dem jede Menge Dynamik für neue Produktionskonzepte und Geschäftsmodelle steckt. Was die nächste Generation Robotik dafür alles mitbringen muss und welche Hürden es gibt, skizziert Wilfried Eberhardt, Vorstandsvorsitzender des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation, im Interview mit elektrotechnik Automatisierung.

elektrotechnik Automatisierung: In schöner Regelmäßigkeit meldet der VDMA Robotik + Automation Wachstumszahlen. Welche Treiber prägen den Markt?
Wilfried Eberhardt: Der gesamte Maschinenbau ist eine Schlüsselindustrie, die einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrag liefert. Hier geht’s um 1,3 Mio. Beschäftigte. Und allein der Bereich Robotik und Automation erwirtschaftete 2018 ca. 15 Mrd. Euro.
Was die Entwicklung treibt, sind die weltweiten Trends wie die Digitalisierung, die Individualisierung – jeder möchte sein eigenes Produkt haben – und die alternde Gesellschaft in den Industrienationen. Aber auch die Bedeutung der industriellen Produktion ist ein wichtiger Treiber. Und diese Trends erfordern neue Produktionskonzepte. Da stechen die Anforderungen flexibel und gleichzeitig effizient heraus. Dafür brauchen Sie Robotik und Automation. Und ein Kernelement sind hier die Industrieroboter. Warum? Sie sind das flexibelste Produktionselement. Und man kann sie vernetzen. Und es kommen jetzt noch als Treiber hinzu: Künstliche Intelligenz, Machine Learning. Sie machen die vorhandenen Technologien noch smarter.
Wie sind die Mitglieder des VDMA Fachverbands hier aufgestellt?
Die Unternehmen aus Deutschland – und zunehmend aus Europa – sind hervorragend aufgestellt. In vielen Feldern sind sie Innovationstreiber, zum Beispiel bei kollaborativer Robotik, Predictive Maintenance und Bildverarbeitungstechnologien. Und da sie stark sind, sind sie auch in der Lage, den hohen Exportanteil von ca. 60 % zu halten und auszubauen. Sie bieten also die Produkte und Lösungen an, die benötigt werden.
Gibt es Hürden im Markt?
Es gibt Herausforderungen, die bekannt sind. Im Zusammenhang mit Industrie 4.0, Industrieller Intelligenz und Machine Learning wird das Thema Software immer wichtiger – neben den Feldern Hardware- und Prozess-Know-how, in denen die Firmen aus Deutschland und Europa sehr stark sind. Doch allein mit Hardware-Know-how wird man hier nicht durchkommen. Und um Software-Know-how muss man sich kümmern. Das ist kein Selbstläufer.
Kürzlich hat die VDMA-Fachabteilung Robotik drei neue Schwerpunkt-Themen gesetzt. Welche und warum?
Ein Fokus ist die Offene Kommunikation. Hier geht es um Nachwuchskräfte und darum, der Öffentlichkeit zu erklären, welche Chancen, Nutzen und Potenziale die Robotik-Branche hat. Es geht auch darum, welche Rolle sie spielt, wie Robotik unser Leben verbessert. Interoperabilität ist der zweite Fokus, wir brauchen eine einheitliche Maschinensprache. Da haben wir mit OPC UA eine hervorragende Pole Position. Das Thema wird vom VDMA auch in die Politik getragen, weil wir hier als Land der Ingenieure und Denker des Maschinenbaus mit hoher Exportquote eine große Chance haben, Agenda-Setting zu betreiben und Standards zu setzen. Andere Länder wie USA und China, auch große Software-Firmen wittern die Chance, hier ihre Standards zu setzen. Wenn man an VHS und Betamax zurückdenkt, müssen das nicht immer die besten sein. Und drittens konzentrieren wir uns auf die nächste Generation Robotik, die ist auf jeden Fall vernetzt.
Wohin entwickelt sich die nächste Generation der Roboter?
Sie wird intelligenter und smart. Ganz konkret geht es um die Interaktion Mensch-Roboter, also kollaborative Roboter, die ohne Schutzraum sicher mit dem Menschen zusammenarbeiten können. Das ist nicht ganz neu. Das Thema ist seit Jahren im Markt. Aber es muss weiterentwickelt werden. Hierbei geht es auch um eine leichte, intuitive Bedienbarkeit. Das sind wir alle gewöhnt vom Smartphone. Da gibt’s auf jeden Fall noch Verbesserungspotenziale in der Robotik. Ein weiterer Aspekt: Roboter arbeiten künftig nicht mehr nur festgeschraubt, werden flexibler und mobiler.
Wo geht die Reise noch hin?
Ich glaube, und das ist wichtig, künftig geht es in der Robotik nicht mehr nur um einzelne Aspekte oder Anwendungen, sondern um ein flexibles Gesamtsystem in einer vernetzten Produktion, in der alle Roboter und Maschinen die gleiche Sprache sprechen. Und damit sind dann auch neue Geschäftsmodelle möglich. Stichwort Plattform-Ökonomie. Allerdings: Dafür müssen erstmal alle System-Elemente fitgemacht werden, also beispielsweise auch Sensoren und Antriebskomponenten. Ohne diese Komponenten können Sie weder Interoperabilität noch Flexibilität erreichen. Das alles, und das ist noch mal ganz wichtig, die nächste Generation Robotik muss einfach zu bedienen sein. Usability – da kommt kein Maschinenbauer, kein Roboterhersteller mehr drumherum.
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