Matlab Expo 2018 Wie Künstliche Intelligenz Einzug in die Industrie findet

Autor Stefanie Michel

Über 700 Besucher kamen nach München zur Matlab Expo 2018, um sich zum einen über die Funktionalitäten von Matlab und Simulink zu informieren, zum anderen aber die Projekte und Problemlösungen von Anwendern zu verfolgen. Hauptthema in diesem Jahr war die Künstliche Intelligenz.

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Prof. Dr. Oliver Niggemann: „Ganz wichtig in der künstlichen Intelligenz ist das Modell des digitalen Zwillings. Dieser Zwilling ist die Fähigkeit der Simulation und Prädiktion von Eigenschaften im Modell.“
Prof. Dr. Oliver Niggemann: „Ganz wichtig in der künstlichen Intelligenz ist das Modell des digitalen Zwillings. Dieser Zwilling ist die Fähigkeit der Simulation und Prädiktion von Eigenschaften im Modell.“
(Bild: Stefanie Michel)

Wer sich mit Digitalisierung beschäftigt, muss sich unweigerlich auch mit Datenkommunikation, Datenanalyse und sinnvoller Datennutzung beschäftigen. Schnell stehen weitreichende Fragen im Raum: Wie kann ich die Daten der weltweiten Produktion meines Unternehmens zusammenführen? Welche Algorithmen reduzieren die Datenmenge ohne die Datenqualität zu verfälschen? Welche Möglichkeiten und welche Erkenntnisse eröffnen sich auf Basis der Daten? Wie sich darauf Antworten finden lassen, zeigte die Matlab Expo 2018 von Mathworks.

Das diesjährige Kernthema der Veranstaltung, die Künstliche Intelligenz (KI), zog sich wie ein roter Faden durch die vier parallelen Sessions zu den verschiedenen Themenblöcken Industrie 4.0, Bild- und Signalverarbeitung, Luft- und Raumfahrt, Systemverifikation und funktionale Sicherheit, mechatronische Systeme, Risikoberechnung, Simulation von Maschinen und Anlagen, Mobilität sowie Technologie-Trends.

Onlinekurse zu Machine Learning Digitale Weiterbildung
Durch die zunehmende Digitalisierung birgt Maschinelles Lernen selbst für Mittelständler großes Potenzial zur Optimierung der Prozesse. Dieses Potenzial muss gehoben werden, indem aus der anfallenden Datenflut wertvolles Wissen generiert wird. Deshalb bieten wir gemeinsam mit dem Münchner Start-up University4Industry Online-Lerninhalte für Maschinelles Lernen an, die in die Thematik führen und Orientierung geben sollen. Zwei Online-Kurse (Skills) stehen bereits zur Verfügung.

Warum Künstliche Intelligenz? Zunächst klingt das etwas weit hergeholt, doch dann wird schnell klar: im Engineering, beim digitale Zwilling oder in der Automatisierung – überall steckt KI dahinter. Richard Rovner, Vice President Marketing bei Mathworks, stellte zu Beginn der Veranstaltung die vielleicht etwas provozierende Frage, ob man bereit sei für Künstliche Intelligenz. Eigentlich war es jeder der anwendenden Teilnehmer – ganz gleich ob er Anlagen zusammenstellt, einen digitalen Zwilling entwickelt oder die Anlagenverfügbarkeit erhöhen möchte. Für etwas bereit sein, heißt aber auch, die Möglichkeiten zu haben, es anzupacken. Und dafür liefert Mathworks die entsprechenden Tools. Richard Rovner: „Wir versuchen, die Technik zu liefern, die es Ihnen ermöglicht, KI dort einzusetzen, wo es für Sie sinnvoll ist.“

Nutzung von Künstlicher Intelligenz für Condition Monitoring

Wie die tatsächliche Nutzung von KI aussehen kann, schilderte Prof. Dr. Oliver Niggemann, stellvertretender Leiter des Fraunhofer Anwendungszentrums Industrial Automation IOSB-INA in seiner Keynote. Als Beispiel nannte er unter anderem eine Verpackungsmaschine, die bei Problemen mehrere Alarme ausgibt. Damit weiß der Anwender, dass etwas nicht stimmt, aber er hat zunächst keinen Hinweis, wo der Fehler liegt. Will er aber wissen, wo das Problem auftritt, setzt er Künstliche Intelligenz ein. Das bedeutet, dass die Anlage über Sensoren mit kontinuierlichen Messungen überwacht wird und über die erzeugten Daten (selbstlernend) Analysen durchgeführt werden. Durch den Vergleich des Ist-Zustandes mit den Analysen können Probleme frühzeitig, schnell und detailliert erkannt werden. Das lässt sich beispielsweise für Condition Monitoring nutzen.

Was ist „Künstliche Intelligenz“? Wie Richard Rovner erklärt, versteht man unter Künstlicher Intelligenz die Fähigkeit einer Maschine, intelligentes menschliches Verhalten nachzuahmen. Doch interessant werde es erst dann, wenn die Fähigkeit einer Maschine, intelligentes menschliches Verhalten übertreffen kann.
Prinzipiell ist „Künstliche Intelligenz“ ein Oberbegriff für Computer-Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen. Das kann Sprach- und Bilderkennung sein oder ein Roboter, der Emotionen zeigt.
KI-Komponenten:
  • Machine Learning: Beim maschinellen Lernen muss der Mensch die Merkmale zuerst identifizieren und dann klassifizieren. Damit wird künstlich Wissen aus Erfahrung generiert, sodass nach der Lernphase auch unbekannte Daten beurteilt werden können. Je länger die Lernphase dauert, desto besser sind die Ergebnisse.
  • Deep Learning: Wenn in den Daten keine Merkmale erkennbar sind, können mit Deep Learning dem System die Rohdaten zugeführt werden. Die Merkmale werden nach und nach selbst extrahiert. Die größte Herausforderung dabei ist, dass Deep Learning eine enorme Datenmenge und damit auch eine riesige Rechenleistung benötigt. Die verwenden Algorithmen basieren auf neuronalen Netzen
  • Transfer Learning: Sind nicht genug Daten für das Deep Learning Network vorhanden, kann man mit Transfer Learning ein bestehendes Netzwerk umlernen.
  • Download: Broschüre vom DFKI und Bitkom zur Künstlichen Intelligenz

    Wenn sich Produktionssysteme selbst programmieren

    Auch das Engineering von kompletten Anlagen kann von KI profitieren. So bestehen solche Anlagen aus einzelnen Modulen, die durch Softwarekomponenten verbunden sind. Sie lassen sich flexibel kombinieren und „lernen“ sozusagen, was sie zu tun haben. Niggemann verglich das mit der unbewussten Feinsteuerung der Hände beim Jonglieren: Jedes Modul hat einen intelligenten Controller und die sollen zusammenarbeiten. Nachdem man angegeben hat, was man haben will, können sich diese Module letztendlich automatisiert programmieren – „Plug-and-Produce“ genannt.

    Eine zentrale Bedeutung kommt der KI außerdem bei der Erstellung eines digitalen Zwillings zu. Dieser Zwilling bildet nicht nur einfach die Daten, wie Größe, Farbe, Gewicht, eines Produktes ab, sondern er simuliert dessen Eigenschaften und Verhalten. Um das Verhalten vorherzusagen und nachzubilden, ist die Bedeutung von KI nicht zu unterschätzen.

    Digitaler Zwilling unterstützt bei der prädiktiven Wartung

    Anhand von Beispielen der Mathworks-Anwender wurde auf der Matlab Expo gezeigt, wie weit man in der Industrie bereits ist. So entwickelte beispielsweise die Achenbach Buschhütten GmbH & Co. KG ein virtuelles Walzwerk, um insgesamt die Fehler zu reduzieren. Die Herausforderungen, ein solches Modell aufzubauen, sind aufgrund des komplexen Aufbaus aus Mechanik, Elektrik, Hydraulik, Software und Automatisierungskomponenten groß. Doch gerade bei Walzmaschinen kann eine Havarie großen Schaden anrichten. Sie in der Realität zu testen ist unmöglich, eine große Datenmenge steht für Analysen von solchen Ereignissen nicht zur Verfügung. Deshalb kommen hier KI-Methoden zum Einsatz, dass der digitale Zwilling bereits Vorhersagen zu Problemen oder Fehlern treffen kann. Zudem eignet sich das virtuelle Walzwerk für Kunden-Schulungen sowie für die Suche von Lösungen, wenn Anwender sich mit Problemen an den Hersteller wenden.

    Krones hat den digitalen Zwilling eines Tripod-Roboters für den Einsatz in der Robobox (Gruppiersystem für Getränkegebinde) mit Matlab- und Simulink-Tools entwickelt. Während des Entwicklungsprozesses wird er bei der mechanischen und softwaretechnischen Entwicklung eingesetzt und bildet die Grundlage für die Optimierung von Trajektorien. Während des Betriebs unterstützt er bei der prädiktive Wartung (Identifizierung verschleißbedingter Veränderungen) sowie bei der Analyse von Störungen.

    Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von Matlab präsentierte Johannes Blödt, von Scherdel. Er arbeitet daran, Wellfedern so realitätsnah wie möglich zu simulieren. Wichtig dabei ist, den Selbstkontakt beim Zusammendrücken immer zu berücksichtigen und zu realisieren, dass keine lineare Berechnung möglich ist – auch wenn in Fachbüchern die Feder als „lineare Feder“ beschrieben wird. Blödt erklärt, dass sich Windungsabstand im Federneinsatz vorne und hinten anders ändert als in der Mitte. Damit sei ein nichtlinearer Anteil vorhanden (bei konischen Federn noch viel mehr), der in Simulationen berücksichtigt werden muss. Deshalb wurde bei Scherdel ein eigenes Federnberechnungsprogramm entwickelt, das als Grundlage für einen digitalen Zwilling dienen soll.

    PSI: Künstliche Intelligenz in der Industrie

    Interview zu KI mit Rolf Heuer, dem ehemaligen Generaldirektor des CERN

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