Aus der Praxis Kurvige Kühlkanäle mit Additiver Fertigung

Redakteur: Simone Käfer

Kühlkanäle sind dann am effektivsten, wenn sie der Kontur des Werkstücks folgen. Die Additive Fertigung macht das nun möglich, wie das Beispiel der Automobilindustrie zeigt.

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Additive Fertigung kann die Kühlung von Werkzeugen verbessern.
Additive Fertigung kann die Kühlung von Werkzeugen verbessern.
(Bild: 3D Systems)

Große Temperaturschwankungen während des Kühlzyklus beim Spritzgießen erhöhen die Gefahr, dass sich Teile verziehen. Als sich bei Tests an einem konventionell konstruierten und gefertigten spritzgegossenen Kanal für den Automobilbau Temperaturschwankungen von 132­°C im Verlauf des Prozesses zeigten, empfahl der Auftragsfertiger B & J Specialty seinem Kunden konturnah gekühlte Formeinsätze für eine gleichmäßigere Kühlung. Mit subtraktiven Verfahren sind diese jedoch nicht umsetzbar. Denn die Bohrer, die zur Herstellung der Kühlkanäle verwendet werden, können keine Kurven bohren. Deswegen kann meistens die Kühlleitungen nicht an die Geometrie des Werkstücks angepasst werden.

B & J hat jedoch für eine effizientere Kühlung im neu konzipierte Kfz-Kanal mehrere unregelmäßige, gekrümmte Flächen eingeplant. Bei der ursprünglichen Form wurden gerade Kühlleitungen durch eine Nabe und einen Statorblock gebohrt, die einem Verzug vorbeugen sollten. Da durch die subtraktive Fertigungstechnik die Kühlkanäle gerade verlaufen mussten, lagen wichtige Merkmale des Kfz-Kanals weiter entfernt von den Kühlkanälen. Es kam zu Temperaturschwankungen, die erzeugten Restspannungen, aufgrund derer sich das Werkstück während des Abkühlens verbog. In der Vergangenheit wurde diesem Problem durch eine Verlängerung des Kühlzyklus begegnet sowie durch extra angepasste Einsätze. Durch die Verlängerung des Kühlzyklus sank jedoch die Produktivität und die Kosten für die Herstellung des Werkstücks stiegen.

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So kommen kurvige Kühlkanäle in die Form

Wie Jarod Rauch, Leiter Informationstechnologie und 3D-Druck bei B & J Specialty, erläuterte, schien sich der Kfz-Kanal hervorragend als Kandidat für eine modifizierte Ausführung einer konturnahen Kühlung zu eignen. Denn das würde Qualität des Werkstücks steigern, Materialeinsatzes senken und den Kühlzyklus verkürzen. Nachdem der Kunde zugestimmt hatte, machten sich die Ingenieure von B & J an die Arbeit. Ausgestattet mit der CAD-Datei der ursprünglichen Geometrie und der Formkonstruktionssoftware Cimatron von 3D Systems. „Cimatron ist eine Software-Komplettlösung, die uns eine umfassende CAD-Funktionalität bietet und uns gleichzeitig aus dem gleichen Paket heraus einen direkten Übergang zur Vorbereitung des Bauprozesses ermöglicht.“ Besonders gefallen hat ihnen durchgängige Lösung mit Formentwicklungssoftware, Bauvorbereitungssoftware und 3D-Druckern. „3D Systems ist nicht ausschließlich auf die Maschine fokussiert, sondern behält auch im Auge, wie Ingenieure konstruktive Lösungen für die Additive Fertigung entwickeln“, erklärt Rauch seine Entscheidung für die Angebote des 3D-Druck-Unternehmens.

Mit der Cimatron-Software entfernten die Ingenieure von B & J die ursprünglichen geraden Kühlkanäle und ersetzten sie durch konturnahe Leitungen, die eine gleichmäßige Entfernung von der Oberfläche des Werkstücks aufrechterhalten. Die endgültige Fertigung der Form im 3D-Druck ermöglichte den Entwicklern die Konstruktion von komplexen Kanälen mit verbesserten Querschnitten und Schnittstellen. Diese Merkmale tragen zur Gewährleistung einer turbulenten Strömung bei, welche die Wärmeübertragung von der Form zum Kühlmittel weiter erhöht und damit zu einer wirksamen Kühlung beiträgt. Die Fähigkeit, spritzgegossene Teile effektiver zu kühlen, trägt auch zu einer Qualitätsverbesserung bei, weil Werkstückfehler wie Verzug oder Einfallstellen vermieden werden. Ein direkter Weg zu qualitativ hochwertigen Teilen spart sowohl den Werkzeugbauer als auch den Anwender der Spritzform Zeit und Geld, weil der Umfang der Korrekturen, Versuche und Testläufe sinkt.

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Nach der Konstruktion exportierten die Ingenieure von B & J die Formdatei aus Cimatron in Moldex-3D, eine Simulationssoftware für Spritzguss. „Mit der Integration von Cimatron und Moldex-3D kann der gesamte Spritzgusszyklus problemlos simuliert und die Temperaturen an der gesamten Form aufgezeichnet werden, um heiße und kalte Bereiche zu erkennen und die Auswirkungen unterschiedlicher Kühlzeiten zu simulieren“, erläutert Rauch. Außerdem können durch eine solche Simulation Bereiche erkannt werden, in denen durch eine konstruktive Änderung die Gesamtkühlstrategie verbessert werden kann, bevor irgendwelche Investitionen in ein reales Werkstück erfolgen. Vergleichende Simulationen zwischen der ursprünglichen Konstruktion der Form und der neuen Konstruktion mit konturnaher Kühlung zeigten eine bessere Temperaturverteilung am neuen Werkstück und 86 % weniger Temperaturschwankungen.

Die Formeinsätze mit konturnahen Kühlleitungen werden gedruckt

Mit der Software 3D-Xpert für die additive Metallfertigung von 3D Systems wurde sodann der Formeinsatz von den B-&-J-Ingenieuren für die Fertigung vorbereitet. Die Werkstückdaten wurden importiert, die Geometrie optimiert, der Scan-Weg berechnet, die Bauplattform eingerichtet, und dann der Druckauftrag direkt aus der 3D-Xpert Software an den hausinternen 3D-Metalldrucker Pro-X-DMP-300 von 3D Systems übergeben. Der Drucker richtet einen Laser auf Metallpulver und baut dabei selektiv einzelne, dünne, horizontale Schichten aus einem Werkstoff der Produktreihe Laserform von 3D Systems auf. Bei dieser Form für einen Kfz-Kanal wurde von B & J das Maraging-Stahlmaterial verwendet. „Wir können mit dem Pro-X-DMP-300 Toleranzen von drei oder vier Tausendstel eines Zolls einhalten“, freut sich Rauch. Die patentgeschützte Metalldirektdrucktechnik (DMP) von 3D Systems ermöglicht die Erzeugung feinster Details und dünnster Wandstärken mit kleineren Materialpartikeln. So kann eine Oberflächenqualität von Ra 5 μm (Ra 200 Mikro-Inch) erreicht werden, was den Nachbearbeitungsaufwand reduziert.

Erhebliche Steigerung der Produktivität auch durch längere Lebensdauer

Nach Abschluss des Druckvorgangs wurden die Einsätze von B & J zur Kontrolle der 3D-gedruckten Formeinsätze mit einem blauen Laser-3D-Linienscanners in die Geomagic Control X Inspektions- und Messsoftware eingescannt, und das Netz auf die As-Designed-Geometrie überlagert. Die Einsätze wurden dann an den Automobilzulieferer übersandt, der sie auf seiner Spritzgussmaschine installierte. „Vergleichsprüfungen zeigten, dass durch die gleichmäßigere Kühlung aufgrund der konturnahen Kühlleitungen die Zyklenzeit gesenkt und die Produktivität um 30 % erhöht werden konnte“, bestätigt Rauch. „Außerdem erwarten wir, dass die Lebensdauer der Form wesentlich verlängert wird, da die durch die konturnahe Kühlung möglich werdende Senkung der Zykluszeit eine Senkung des Einspritzdrucks mit sich bringt, was wiederum den Verschleiß an der Trennlinie und an den feinen Details der Form reduziert.“

* Weitere Informationen: 3D Systems aus 29730 Rock Hill, Tel.: (+1 8 03)3 26 39 30, sales@3dsystems.com, www.3dsystems.com.

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