125 Jahre Zerspanungstechnik

Vom Faustkeil bis zur smarten Werkzeugmaschine

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Die Zerspanung wird digital

Und im Lauf der Jahrzehnte konnten durch sich steigernde Rechnerleistungen auch immer mehr Punkte von Bahnverläufen bei der Zerspanung immer schneller berechnet und auf die Achsenbewegung der Werkzeugmaschinen übertragen werden. Die ersten Anlagen wurde mithilfe eines damals Digitalrechner genannten Computer gesteuert, in dem man die Bewegungsdaten in Lochkarten codierte, die dann direkt in die Maschine eingegeben werden konnten.

Die numerische Steuerung erlaubte einmal mehr, dass die Maschinen und ihre Möglichkeiten besser ausgenutzt werden konnten, einschließlich der Werkzeuge. Klar, dass man anschließend auch wieder die Maschinen dem neuen Leistungsniveau angepasst hat.

Weil konventionelle Werkzeugmaschinen damals aber wesentlich günstiger waren, die Lieferfristen für NC-Maschinen lang und der Programmieraufwand groß waren, dauerte die breite Einführung bis in die 60er Jahre, wobei die Typen aus deutscher Fertigung mit meist mit Lochstreifen bedient wurden. Die Datenübertragung per Magnetband wurde in England favorisiert. Waldrich Siegen gehörte dabei zu den ersten Herstellern einer NC-Maschine in Deutschland. Es handelte sich um die Walzenkalibrier-Drehmaschine Numeromat mit Bahnsteuerung, die AEG entwickelt hatte. Siemens hatte bereits eine Steuerung im Sortiment, die mit Lochstreifen oder per Handeingabe funktionierte. Siemens präsentierte 1970 ein NC-System, das damals 13 Werkzeugmaschinenhersteller bereits integriert hatten. 1976 brachte Siemens in Zusammenarbeit mit dem japanischen Unternehmen Fanuc den Mikroprozessor CNC Sinumerik 7 an den Start. Der Siegeszug der NC-gesteuerten Werkzeugmaschinen war aufgrund der deutlichen Vorteile nun nicht mehr aufzuhalten.

Eine der ersten Sinumerik-Steuerungen mit Mikroprozessor von Siemens macht aus einer Fräsmaschine in den 1970er-Jahren ein NC-Zerspanungssystem.
Eine der ersten Sinumerik-Steuerungen mit Mikroprozessor von Siemens macht aus einer Fräsmaschine in den 1970er-Jahren ein NC-Zerspanungssystem.
(Bild: Siemens)

Das neue Niveau der Präzision

In Japan vollzog sich der nächste Optimierungsschritt für Werkzeugmaschinen, der durch die Entwicklung und Einführung des elektrischen und elektrohydraulischen Schrittmotors markiert wurde, wodurch die Steuerung der Positionierung der Maschinenachsen präziser werden konnte. Die Elektronik und damit auch Sensoren, die Mikroprozessoren, die Software wurden leistungsfähiger und kleiner. Es folgte der Schritt der Visualisierung der Maschinenabläufe per Bildschirm. Anfangs noch mit Röhrenbildschirmen in grün oder grau, gelingt die Datenübertragung heute per modernem Touchscreen in Farbe und man kann sogar vor der Bearbeitung feststellen, ob das Programm in Ordnung ist, oder ob es zu Kollisionen kommt.

Automation und Verfahrenskombination

Parallel dazu erkennt man einen Trend zur Verfahrenskombination mit Lasern und Additiver Fertigung. Bearbeitungszentren können heute drehen und fräsen, sie holen und setzen automatisch die Werkzeuge ein oder platzieren sie zurück in automatische Magazin mit zig Werkzeugen, sie prüfen den Zustand von Werkzeugen mit Lasern und werden von Robotern in diverser Art und Weise unterstützt, um produktiver zu sein. Man automatisiert sogar die Herstellung von Kleinserien und Einzelstücken, ein Trend, der vor wenigen Jahrzehnten noch als unwirtschaftlich betrachtet wurde.

Die Systeme werden kommunikativ und smart...

Schon heute muss man, um eine Maschine zu bedienen nicht unbedingt davor stehen. Cloud & Co machen das per Tablet-PC oder Smartphone möglich und die Bedienung erfolgt in nahezu jeder Sprache der Welt, wenn es sein muss. Viele Standardprozesse der Zerspanung sind als perfekte Abläufe im Datensatz der Steuerung enthalten. Und Mechanik, Elektronik inklusive Software ebnen im Zusammenspiel den Weg in die vernetzte Fabrik, in der alles automatisch ablaufen soll – mit minimalem Eingriff durch den Menschen. Die beteiligten Systeme, darunter auch die Werkzeugmaschinen und sogar die Produkte, sollen miteinander kommunizieren, um mithilfe der Künstlichen Intelligenz sich selbstständig zu optimieren. Diese Revolution, die nicht nur den Werkzeugmaschinenbau umgestaltet hat, wird Digitalisierung genannt, und sie ist bis heute nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt.

Bitte keine Innovationsphobie...

Es bleibt abzuwarten, ob sich der Mensch damit ein arbeitsfreies Paradies schafft, oder sich selbst abschafft. Zur allgemeinen Beruhigung sei erinnert, dass jede skeptisch betrachtete Umwälzung in der Industrie auch stets für neue Jobs gesorgt hat. Wie die heutigen smarten Werkzeugmaschinen, müssen die Menschen einfach flexibel sein und können sich im Gegensatz zur „intelligenten“ Technik vor allem auf ihre Kreativität verlassen, um sich den Umständen folgerichtig anzupassen. Das haben wir bereits mit der Erfindung und Nutzung des Faustkeils bewiesen, der den langen Weg bis zur smarten Werkzeugmaschine wahrscheinlich initiiert hat. MM

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