Hannover Messe 2019 XXL-Kupplungen für die Rekordseilbahn
Die neue Seilbahn Zugspitze hat Maßstäbe bei Pendelseilbahnen gesetzt. Die Getriebe in der Talstation wurden von der Schweizer Tochtergesellschaft von SEW-Eurodrive projektiert. Das Unternehmen legte auch die Kupplungen aus, die bis zu 3,6 t schwer sind.
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Die neue Seilbahn Zugspitze hat am 21. Dezember 2017 den Publikumsbetrieb aufgenommen und gleich drei Weltrekorde aufgestellt: der höchste Höhenunterschied in einer Sektion, das weltweit längste freie Spannfeld und die höchste Stütze in Stahlbauweise.
Ebenso beeindruckend ist die Antriebstechnik: Jedes der vier Tragseile hat einen Durchmesser von 72 mm und wiegt 143 t. Die Nennleistung der beiden Antriebe in der Talstation beträgt 1800 kW. Die Antriebe arbeiten simultan und übertragen jeweils die Hälfte der benötigten Gesamtleistung auf eine doppelrillige Antriebsscheibe, die über ein Zugseil mit der Kabine verbunden ist. Es sind stets beide Antriebe im Eingriff, um eine sichere Fahrweise mit definierten Reibwerten zu gewährleisten. Jede Antriebsscheibe ist mit einer Betriebs- und einer Sicherheitsbremse ausgestattet, die jeweils auf getrennte, angeflanschte Bremsscheiben wirken.Sollten Motor oder Getriebe an einem der beiden Hauptantriebe ausfallen, ist es möglich, mit nur einem Antriebsstrang einen Betrieb der Seilbahn mit reduzierter Nutzlast aufrecht zu erhalten. Wenn beide Antriebsstränge nicht zur Verfügung stehen, werden die Kabinen mit elektrohydraulischen Notantrieben in die Stationen gebracht.
Kompetenz bei der Auslegung von Seilbahnantrieben
Die leistungsstarken und hochverfügbaren Stirnradgetriebe der Seilbahn Zugspitze wurden von SEW-Eurodrive gefertigt, jedes mit einem Nennmoment von 240.000 Nm und einer Leistung von 1024 kW. Die Auslegung der Getriebe verantwortete Projektingenieur Peter Baumgartner, der auch die Auswahl der Kupplungen übernahm. Neben den typischen Eckdaten wie Drehmoment und Drehzahl waren dabei auch weitere Parameter zu berücksichtigen wie beispielsweise die tiefen Temperaturen, die bei der Wahl des Schmierstoffs mitentscheidend sind.
Auslegung und Auswahl der Kupplungen
- Im Hauptantrieb der Seilbahn Zugspitze kommt zwischen Motor und Getriebe eine Rotex-Kupplung zum Einsatz. Sie gewährleistet eine drehschwingungsdämpfende Kraftübertragung und kompensiert Unregelmäßigkeiten im Antriebsstrang. Die Klauenkupplung ist für Nenndrehmomente bis 19.200 Nm und eine Betriebsdrehzahl von 1495 min-1 ausgelegt. Insgesamt bringt die Kupplung ein (erwünschtes) Gewicht von 1,3 t auf die Waage und gehört aufgrund ihrer Größe nicht zum Katalogprogramm von KTR.
- Die Verbindung zwischen Getriebe und Seilscheibe übernimmt eine drehelastische, durchschlagsichere Bolzenkupplung aus dem Revolex-Programm von KTR. Diese Kupplung wurde für drehmomentstarke Antriebe entwickelt. Stahlbolzen mit konischen Elastomerringen gewährleisten die Drehmomentübertragung zwischen den beiden Nabenhälften. Dabei werden sowohl Verlagerungsfehler ausgeglichen als auch ein sanfter drehelastischer Anlauf des Antriebs und somit der Kabine erreicht. Die Revolex KX-D SD-355 überträgt Nennmomente bis 300.000 Nm bei einer Betriebsdrehzahl von 59,3 min-1. Sie erreicht einen Außendurchmesser von 1,20 m und ein Gewicht von 3,6 t. Da beim Notbetrieb der Hauptantriebsstrang abgekoppelt wird und der Hilfsantrieb eingreift, ist sie schaltbar ausgeführt.
- Die Kupplung auf der anderen Seite der Seilscheibe, die den Hilfsantrieb mit dem Gesamtantrieb verbinden, müssen ebenfalls schaltbar ausgeführt sein. Die elektrohydraulischen Antriebe werden nur dann eingeschaltet, wenn die Hauptantriebe ausfallen. Hier ist im Unterschied zum Hauptantrieb keine Elastizität beim Anfahren des Antriebs als Komfortmerkmal erforderlich. Aus diesem Grund ist in diesem Antriebsstrang eine doppelkardanische Ganzstahlzahnkupplung Gearex SD-80 verbaut. Die Naben mit ballig geformter Verzahnung übertragen das Drehmoment von maximal 300.000 Nm formschlüssig und gleichen dabei axiale, radiale und winkelige Wellenverlagerungen aus. Im Hilfsantrieb der Seilbahn Zugspitze arbeitet diese Kupplung mit einer geringen Betriebsdrehzahl von maximal 8,4 min-1.
Tabelle: Seilbahn Zugspitze in Zahlen | |
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Höhenunterschied: | 1945 m |
Höchste Stütze in Stahlbauweise: | 127 m |
Maximale Steigung: | 104,7 % |
Gewicht pro Tagseil: | 143 t |
Nennleistung Doppelantrieb: | 1800 kW |
Gewicht Bolzenkupplung: | 3,6 t |
Elektrische isolierende Kupplungen
Zu den Besonderheiten der beiden drehelastischen Kupplungen im Hauptantrieb der Seilbahn Zugspitze gehört die elektrisch isolierende Bauweise. In diesen Fällen werden Sonderelastomere verwendet, die einen Stromdurchgang verhindern. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich Kriechströme negativ auf die Lebensdauer der Antriebskomponenten – vor allem der Wälzlager – auswirken.
Bei Seilbahnantrieben gibt es aber auch noch andere Gründe für die elektrische Isolierung: In die Zugseile werden berührungslos Signale eingekoppelt, die der Kommunikation mit der Kabine dienen. Außerdem kann man anhand des stromführenden Seils Unregelmäßigkeiten in der Seilführung erkennen.
Kupplungen im „Doppelpack“ bewähren sich
Da die beiden Antriebsstränge mit Hauptantrieb, Seilscheibe und dem Notantrieb auf der gegenüberliegenden Seite doppelt vorhanden sind, lieferte KTR jeweils zwei Kupplungen der beschriebenen Typen. Hinzu kamen die Bremsscheiben für die Betriebs- und Sicherheitsbremsen, die direkt an die Seilscheiben angeflanscht sind.
Das gesamte Antriebssystem bewährt sich seit der Skisaison 2017/18 bestens. Martin Hurm, Betriebsleiter Seilbahnen & Lifte Zugspitze bei der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG: „Wir sind mit dem Antriebskonzept hochzufrieden. Besonders überzeugt hat uns die einfache, reibungslose Handhabung der Kupplungen beim Umschalten vom Zweimotorenbetrieb auf den Einmotorenbetrieb sowie beim Einkuppeln der beiden Notantriebsmotoren.“
KTR auf der Hannover Messe 2019: Halle 23, Stand B19
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