Produktpiraterie Offene Kommunikation beim Thema Plagiate – auch wenn es weh tut
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Fälschungen und Produktpiraterie verursachen massive Umsatzverluste und schaden dem Markenimage – keiner spricht gern darüber. Doch das ist ein Fehler.

Auch Maschinenbauer sollten offen mit dem Thema Plagiate umgehen. Nicht nur, weil die Branche durchaus im Fokus von Plagiatoren steht. Fakes stellen eine Gefahr für Mensch und Maschine dar. Sie werden zudem in unkontrollierten, auch menschenfeindlichen Bedingungen hergestellt. Verantwortungsbewusste Unternehmen sollten die Fälschungsindustrie deswegen in der Breite offen und systematisch bekämpfen.
Im Maschinenbau wird Produkt- und Markenpiraterie weiterhin als Bedrohung wahrgenommen. Das zeigt die die aktuelle VDMA-Studie Produktpiraterie 2022. Der Verband befragte insgesamt 68 Unternehmen, davon 46 Prozent KMU. Laut Umfrage sind 72 Prozent der Unternehmen von Fakes betroffen.
Der geschätzte Schaden beläuft sich auf 6,4 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2020 verringerte sich der Schaden um 1,2 Milliarden Euro, was vermutlich am deutlichen Zuwachs der ergriffenen Maßnahmen im Vergleich zur vorangegangenen Studie liegt: über alle Antwortmöglichkeiten hinweg verzeichnete die Befragung eine Steigerung zwischen 33 und 100 Prozent. Durchschnittlich erreicht der Schaden durch Fälschungen eine Höhe von knapp fünf Prozent des Jahresumsatzes.
Maschinenbauer klagen vor allem über Nachbauten und die Verletzung von Marken- und Patentrechten. Mit 60 Prozent werden am häufigsten einzelne Komponenten sowie das Design plagiiert, doch auch gefälschte Informationsmaterialien wie Kataloge oder Fotos, Ersatzteile oder ganze Maschinen kommen vor. Verursacht werden die Plagiate zumeist von Wettbewerbern, professionellen Großplagiatoren und Geschäftspartnern, zu denen Kunden, Zulieferer, Lizenznehmer und Joint-Venture-Partner gehören. Als neue Kategorie wurden Plagiate von Websites und Online-Shops in die Studie aufgenommen, von denen jedes fünfte Unternehmen berichtete.
Fälschungen sind gefährlich
Im Jahr 2020 waren sieben Prozent aller Importe in die EU Fälschungen – insgesamt Produkte im Wert von 120 Milliarden Euro – über alle Branchen hinweg. Das Amt EUIPO, das für Europa geistiges Eigentum von Unternehmen schützt, bezifferte den Schaden für 2019 auf 19 Milliarden Euro verlorenen Umsatz.
Mit dem entstandenen Schaden im Bereich des Maschinenbaus im Jahr 2022 hätten 29.000 Arbeitsplätze gesichert werden können. Maschinenbauer befürchten außerdem den Verlust des Marktvorsprungs oder Regressforderungen. Und nicht zuletzt schaden Nachbauten dem eigenen Image.
Hinzu kommt: Plagiate stellen stets ein Sicherheitsrisiko dar. Billiges Material, niedrige Qualität und eingeschränkte Funktionalität: 57 Prozent der Befragten der VDMA-Studie sehen den sicheren Betrieb der Anlagen in Gefahr – durch höheren Verschleiß oder minderwertige Ersatzteile.
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Produktpiraterie
So gefährlich sind gefälschte Produkte für Ihr Unternehmen
Laut 41 Prozent der Befragten geht von den Fälschungen eine Gefahr für Bediener und Anwender aus. Denn sie entstehen unter Umgehung jeglicher Güte- und Prüfsiegel und entsprechen natürlich nicht dem vorgeschriebenen Sicherheitsniveau. Ein Exponat im Museum der dreistesten Fälschungen des Vereins Aktion Plagiarius zeigt das anschaulich: Gefälschte Felgen halten dem Belastungstest des TÜV nicht stand, sie bilden Risse und brechen.
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Plagiarius
Das sind die dreistesten Produktfälschungen 2022
Verantwortung reicht weiter
Plagiate sind weiterhin ein Tabuthema. Maschinen- und Anlagenbauer gehen aktuell stärker als noch 2020 gegen Fakes vor, doch keiner gibt gern zu, dass er ins Visier geraten ist. Aus Angst vor Vertrauens- und Umsatzverlust und davor, dem Wettbewerb in die Hände zu spielen.
Die Branche befindet sich in bester Gesellschaft: Über 70 Prozent der deutschen Unternehmen insgesamt sind betroffen und viele versuchen immer noch, das Thema einfach zu ignorieren. Das ist aber nicht die richtige Strategie – vielmehr ist Transparenz gefragt.
Unternehmen brauchen als seriöse Geschäftspartner eine weiße Weste. So sind sie zum Beispiel durch internationale Abkommen verpflichtet, ihre Geschäftspartner und Mitarbeiter einer Sanktionslistenprüfung zu unterziehen. So wird sichergestellt, dass sie über den gesamten Verlauf der Geschäftsbeziehung beziehungsweise Anstellung potenziell terroristischen Organisationen und Personen keine wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Hier rückt ein unbeachteter Aspekt des Fälscherbusiness in den Fokus: Denn Unternehmen laufen Gefahr, mit den unappetitlichen Praktiken der Fälscher in Verbindung gebracht zu werden – dazu können Kinderarbeit, Billiglohn und Ausbeutung, aber auch Terrorismusfinanzierung und Umweltschäden zählen.
Marken tragen also eine Verantwortung, die nicht am Werkstor oder den eigenen Mitarbeitern beziehungsweise Kunden endet. Sie dehnt sich aus auf Geschäfte, die im Namen der Marke gemacht werden. Wer Missbrauch hier nicht verhindert, ist indirekt auch für die Produktionsstraßen der Fälschungen mitverantwortlich.
KMU bleiben häufiger untätig
Positiv entwickelt sich das Einschreiten, sobald ein Plagiat entdeckt wurde: Laut Befragung blieb nur noch ein Plagiat von drei identifizierten folgenlos. In den meisten Fällen kamen außergerichtliche Maßnahmen zum Einsatz. Weitere Vorgehen, wie zivilgerichtliche Verfahren oder Grenzbeschlagnahmung, nahmen zwar zu. Hier überwiegen jedoch die Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern.
Wie in der vorangegangenen Studie sind also auch aktuell KMU nicht so aktiv wie die großen Player. Zum Vergleich: Großunternehmen greifen bei sieben von acht Plagiaten ein, kleine und mittelständische Betriebe handeln nur in jedem zweiten Fall.
Fast die Hälfte verzichtet also komplett auf Maßnahmen – gerade für KMU ist die Verfolgung mit großem Aufwand und Kosten verbunden; sie können Plagiatoren oder Vertriebswege nicht immer identifizieren. Der VDMA empfiehlt deswegen, seine Rechte erst außergerichtlich und dann zivilrechtlich durchzusetzen. Ein Anwaltsschreiben kann den Plagiator ins Rampenlicht rücken – und das scheut er.
Insgesamt muss eine Abwehrstrategie mit einem Maßnahmenmix als individuelles Schutzkonzept her. Zu der Schutzrechtsanmeldung in den jeweiligen Märkten kommen verschiedene Ansätze – die gezielte Suche auf Messen, Designanpassungen, um den Nachbau zu erschweren und nicht zuletzt eine klare Kommunikation. Hier müssen Unternehmen in die Offensive.
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Produktpiraterie
7 Tipps – So wehren Sie sich effektiv gegen Produktfälscher
Warnhinweise und Checklisten sind ein erster Schritt, um für das Thema zu sensibilisieren. So weisen Marken wie zum Beispiel Audi ihre Kundschaft bereits vorbildlich darauf hin, woran sie eine Fälschung erkennen kann und welche Gefahren es gibt. Durch diese Aufklärungsarbeit entsteht Vertrauen, das Engagement gibt ein gutes Gefühl und stärkt so die Kundenbindung.
Um das Thema in der Breite und vor allem nachhaltig anzugehen, können Unternehmen unter anderem auch auf Software setzen. Mithilfe von sogenannter Brand Protection Software können weltweite Marktplätze und sogar Social Media Kanäle rund um die Uhr überwacht werden. Die Software liefert mit dem integrierten Reporting eine stete Risikoanalyse des Markenportfolios und ermöglichen es teilweise Falschangebote innerhalb von 48 Stunden zu löschen. Wird die Beobachtung und Verfolgung von Fälschern verstetigt, kann der Aufwand, den sie für ihr illegales Business betreiben müssen, so erhöht werden, dass es sich für sie nicht mehr lohnt.
Wer aktiv gegen Plagiate vorgeht, sollte damit auch werben dürfen, denn er tut etwas für das Allgemeinwohl und setzt sich damit indirekt für umweltgerechte Produktion, sichere Teile und faire Herstellungsbedingungen ein. In der Finanzwelt gibt es dafür ein Siegel. ESG – Environment, Social und Governance – beschreibt die drei Verantwortungsbereiche in Unternehmen, die möglichst nachhaltig aufgestellt sein sollten: Umwelt, Soziales und Führung. Es zeichnet sich bereits heute ab, dass ein solches Commitment künftig an Bedeutung gewinnen wird – möglicherweise werden solche Nachweise zu fairen Geschäftspraktiken bald dazu gehören wie ein CE-Kennzeichen.
Fazit
Es liegt im ureigensten Interesse von Unternehmen, Plagiate und Fälschungen einzudämmen – nicht nur, um Umsatzverluste und Rufschäden abzuwenden. Denn Marken haben eine Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Umwelt. Zum Maßnahmenmix gegen Markenrechtsverletzungen gehört deswegen eine offene Kommunikation: Wer Transparenz schafft, schafft Vertrauen – und durch seinen Einsatz für eine bessere Welt ein gutes Verkaufsargument.
* Nicole Hofmann ist CEO bei der Sentryc GmbH in 10178 Berlin, Tel. +49 30 120887110, kontakt@sentryc.com
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