Produktionslogistik Wie Materialfluss und Produktion zusammenwachsen
Soll eine neue Produktionsstätte errichtet werden, wird zuerst die Fertigungsumgebung geplant und dann, irgendwann später, der dazugehörige Materialfluss. Doch die heraufziehende Ära der Smart Factory könnte neue Voraussetzungen schaffen. Nicht wenige Experten sind schon heute davon überzeugt, dass man Fertigungsumgebungen ganzheitlich betrachten und planen sollte.
Anbieter zum Thema

Es war und ist ein Streitthema, ob der Begriff industrielle Revolution für die Industrie 4.0 nicht doch etwas hoch gegriffen ist. Denkt man isoliert an vernetzte Anlagen, die Daten in eine Cloud funken, oder Predictive Maintenance, hat man damit sicher recht. Nimmt man aber all die neuen Möglichkeiten zusammen und betrachtet die Veränderungen, die diese Kombination in den Fertigungsumgebungen auslösen wird, ergibt sich ein anderes Bild. In der Automobilindustrie wird beispielsweise schon seit einiger Zeit über das Ende der Fließbandfertigung zugunsten modularer und taktloser Systeme diskutiert. Und auch im Maschinenbau wird man verstärkt darüber nachdenken müssen, wie die Produktion in der vernetzten oder smarten Fabrik am besten funktioniert. Ein wichtiges Puzzlestück wird der Materialfluss sein und hier natürlich die Frage, wie Logistik und Produktion am besten verschmelzen und einen absolut reibungslosen und dennoch flexiblen Ablauf möglich machen.
Dirk Wortmann, Mitgründer und Senior Consultant von Simplan, zufolge ist eine gemeinsame Planung von Materialfluss und Produktion unglücklicherweise immer noch die Ausnahme und nicht die Regel: „In vielen Fällen werden die Produktions- und Logistikabläufe unabhängig voneinander geplant. Dabei werden meist hohe Einsparpotenziale verschenkt, denn eine getrennte Betrachtung führt häufig zu einer erforderlichen hohen Entkopplung zwischen den Prozessen, sprich zu höheren Beständen und zu mehr Platzbedarf.“ Diese Überzeugung zeigt sich auch in der Simulationssoftware seines Unternehmens. Diese erstellt Modelle, die dabei helfen sollen, die Abläufe im Zusammenspiel von Logistik und Produktion besser zu verstehen und die Schwachstellen herauszuarbeiten. Die Verbesserungspotenziale werden ermittelt, indem die Abläufe im Modell experimentell geändert werden. Dabei werden alternative Lösungen einander gegenübergestellt und verglichen.
Hilfe aus der virtuellen Welt
„Die Analyse der Abläufe in der Simulation erlaubt somit eine virtuelle Optimierung der Prozesse vor der Umsetzung in der Realität“, so Wortmann. „Die Vorteile dieser Vorgehensweise gegenüber dem direkten Test von Verbesserungsmaßnahmen im laufenden Betrieb liegen auf der Hand. Neben dem deutlich geringeren Risiko zeigt die Simulation bereits vorab die genauen Auswirkungen auf und gibt somit eine Entscheidungssicherheit.“ Deshalb ist er auch der Meinung, dass Logistik- und Fertigungsumgebungen künftig anders geplant werden müssen. In vielen Unternehmen gilt die Produktion als der „führende“ Prozess. Das heißt, dieser Prozess wird zuerst geplant und danach werden die Anforderungen und Schnittstellen für die Logistik definiert. „Das ist in bestimmten Fällen die richtige Vorgehensweise, da der Aufbau eines Produktionsprozesses meist deutlich investitionsintensiver ist“, so Wortmann. „Doch gibt es auch Beispiele, in denen eine ganzheitliche Planung von Produktion und Logistik zu deutlich effizienteren Prozessen führen kann. Hier werden heute noch große Potenziale auf der Straße liegen gelassen.“
Ganz ähnlich sieht das Tobias Herwig, Leiter Marketing und Vertrieb bei Ipoplan, einem Spezialisten für Fabrik- und Produktionsplanung: „Durch die Supply-Chain-Denkweise ist die Intralogistik jedoch oft der übergreifenden Logistik untergeordnet und dadurch entsteht teilweise eine Distanz zur eigentlichen Produktion. Anders herum gewinnt die Produktionslogistik wieder neuen Aufwind. Denn viele haben erlebt, dass für eine stabile Produktion eine gut geplante und leistungsfähige Logistik notwendig ist.“ Er ist davon überzeugt, dass eine ganzheitliche Betrachtung einen enormen Vorteil bietet, da Reibungsverluste an den Schnittstellen minimiert werden und die Zusammenarbeit verbessert wird. Somit wird effektiveres Planen ermöglicht. Zusammenhänge können zudem viel besser erkannt und Auswirkungen evaluiert werden. „So bringt man bereits in einer frühen Planungsphase alle Beteiligten an einen Tisch und verhindert, dass lokale Optimierungen für globale Probleme sorgen“, so Herwig weiter. „Wir haben bei Kunden erlebt, dass die Logistik die vermeintlichen Optimierungen der Produktion ausbaden musste, weil sie den zusätzlichen Aufwand erst zu spät abschätzen konnte. Durch eine ganzheitliche Betrachtung kann hier direkt ein Feedback gegeben und so gemeinsam eine bessere Entscheidung getroffen werden.“
(ID:44644104)