Linearführungen in Werkzeugmaschinen Glanzstellen auf Profilschienenführungen verhindern
Profilschienenführungen zeigen zahlreiche bekannte Verschleißerscheinungen im Wälzkontakt. Doch seit einiger Zeit fallen auch glänzende Bereiche an den Laufbahnoberflächen auf. Die Entstehung dieser Veränderungen untersuchen Forscher der RWTH Aachen.
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Zur präzisen Führung linearer Verfahrbewegungen werden in modernen Maschinen und technischen Anlagen vielfach Profilschienenführungen eingesetzt [BREC17]. Speziell im Segment der spanenden Werkzeugmaschinen sind Profilschienenführungen (PSF) die bevorzugte Führungskomponente. Das Maschinenelement besteht im Allgemeinen aus einer Führungsschiene, einem Führungswagen, den Wälzkörpern (Rollen oder Kugeln) sowie Dichtungssystemen, welche den Wälzbereich vor dem Eindringen unerwünschter Fremdstoffe schützen [ISPA96] (Bild 1).
Zusätzlich zu den aus der Literatur bekannten Verschleißerscheinungen im Wälzkontakt – Adhäsion, Abrasion, Oberflächenzerrüttung und tribochemischer Verschleiß [SOMM14] – konnten in den letzten Jahren in Werkzeugmaschinen in zunehmendem Maße Veränderungen an den Laufbahnoberflächen von Rollenschienenführungen identifiziert werden. Um deren Entstehungsmechanismus zu untersuchen, werden am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH (WZL) umfangreiche Untersuchungen des beobachteten Phänomens durchgeführt.
Variierende Verschleißmechanismen durch unterschiedliche Reibungszustände
Aufgrund des strukturellen Aufbaus der Rollenschienenführungen befinden sich die Wälzkörper in einem Umlauf, wodurch sie wiederkehrend in eine Lastzone zwischen Führungsschiene und Führungswagen ein- und ausgeführt werden [ISPA96]. Bedingt durch die endliche Verfahrbewegung des Führungswagens wird zudem die Bildung eines tragenden Schmierfilms beim Betrieb von Profilschienenführungen unvermeidbar unterbrochen. Die Komponente durchläuft somit im Betrieb unterschiedliche Reibungszustände, in deren Folge variierende Verschleißmechanismen auftreten.
Die Veränderungen stellen sich in Form glänzender Bereiche (Glanzstellen) auf den Laufbahnen der Führungsschienen sowie der Führungswagen dar. In den meisten Fällen liegen die Glanzstellen als barcodeartige Strichformationen unterschiedlicher Stärke auf den Laufbahnen der Führungsschienen sowie als flächiger Materialabtrag an den Laufbahnen der Führungswagen vor (Bild 2).
Nach aktuellem Kenntnisstand entstehen Glanzstellen ausschließlich unter Einwirkung von wassermischbarem Kühlschmierstoff im Wälzkontakt. Sie konnten bei Rollenschienenführungen unterschiedlicher Hersteller weltweit beobachtet werden und treten vielfach unabhängig von der gewählten Schmierungsart (Fett, Fließfett, Öl) auf. Die beobachteten Glanzstellen sind oftmals so stark ausgeprägt, dass ein messbarer Materialabtrag des Grundwerkstoffes von mehreren Mikrometern in den glänzenden Bereichen vorliegt (siehe Bild 3).
Aufgrund des mit den Oberflächenveränderungen einhergehenden Materialabtrags können die Profilschienenführungen ihre Vorspannung verlieren. Hieraus kann ein Verlust der lateralen Systemsteifigkeit der PSF resultieren, welcher zu einem verfrühten Gebrauchsdauerende und einem Austausch des Maschinenelements führen kann.
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Linearführung
Profilschienenführungen Teil 1: Grundlagen zum Konstruieren
Entstehung der Veränderungen wird umfassend erforscht
Der exakte Entstehungsmechanismus dieser Veränderungen ist derzeit ungeklärt, weshalb große Unsicherheiten hinsichtlich der eingesetzten Kühlschmierstoffe sowie möglicher Änderungen der Kühlschmierstoffe herrschen. Am WZL wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Voruntersuchungen zum Verständnis des Glanzstellenauftritts sowie des zugrunde´liegenden Entstehungsmechanismus durchgeführt.
Derzeitig wird der Entstehungsmechanismus in Kooperation mit der Bosch Rexroth AG, einem der führenden Hersteller von Linearführungssystemen, sowie den Werkzeugmaschinenherstellern Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH und Grob-Werke GmbH & Co. KG umfassend in experimentellen Untersuchungen erforscht. Dazu entwickelte das WZL zusammen mit seinen Kooperationspartnern einen Rollenschienenprüfstand, der eine systematische Untersuchung ermöglicht. Gegenstand der Untersuchungen ist es, umfangreiches Wissen zum Entstehungsmechanismus sowie dem Auftritt von Glanzstellen zu sammeln. Dazu werden von den Kooperationspartnern Schmierstoff-Kühlschmierstoff-Kombinationen festgelegt und am WZL unabhängig untersucht und bewertet. Durch die Untersuchungen lassen sich mögliche Treiber der Glanzstellenbildung im Kühlschmierstoff (KSS) identifizieren und zugleich verträgliche Schmierstoff-Kühlschmierstoff-Kombinationen erkennen. Die Bewertung der erzielten Versuchsergebnisse erfolgt durch Einteilung in drei Kategorien:
- Glanzstellen: Dieses Versuchsergebnis bedingt einen Materialabtrag an der Oberfläche der Laufbahnen von Führungsschiene und/oder Führungswagen mit scharfer Abgrenzung zur Umgebungsstruktur, bei dem die Schleifstruktur der Fertigung sichtbar unterbrochen ist. In der Regel treten Glanzstellen wiederholt und in linearer Form orthogonal zur Laufrichtung auf den Laufbahnen der Führungsschiene oder in fleckiger Ausprägung an den Laufbahnen der Führungswagen auf. Eine Abweichung zur fertigungsbedingten Rauheit ist messtechnisch erfassbar.
- Gutkombination mit optischen Auffälligkeiten: Ein solches Versuchsergebnis zeigt eine optisch erkennbare Beeinflussung der Laufbahnen von Führungsschiene und/oder Führungswagen. Messtechnisch kann jedoch kein Materialabtrag detektiert werden und die fertigungsbedingte Schleifstruktur ist noch deutlich vorhanden.
- Gutkombination: Ein Versuchsergebnis ist eine Gutkombination, wenn keine Beeinflussung der Laufbahnen von Führungsschiene und/oder Führungswagen erkannt werden kann.
Die Definition der Bewertung erfolgte zusammen mit den Kooperationspartnern (Bild 4).
Experimentelle Untersuchungen zur Glanzstellenbildung
Die Untersuchungen werden zeitgleich an bis zu acht Rollenschienenführungen, bestehend aus je einer Führungsschiene und zwei Führungswagen, durchgeführt (Bild 5). Die zurückgelegte Verfahrdistanz während einer Untersuchung beträgt 1200 km. Die Verfahrgeschwindigkeit entspricht einer repräsentativen Eilganggeschwindigkeit einer Vorschubachse in Werkzeugmaschinen. Ein Linearmodul mit Kugelgewindetrieb erzeugt die lineare Verfahrbewegung der Führungswagen. Kunststoffmitnehmer ohne baulich feste Anbindung an das eingesetzte Linearmodul übertragen die Antriebsbewegung auf die Führungswagen. Dies unterbindet eine ungewollte Übertragung radialer Kräfte auf die Führungswagen.
Grundsätzlich werden im Prüfbetrieb, neben der Vorspannung der Führungswagen, keine seitlich zur Bewegungsrichtung auftretenden Kräfte in die PSF eingeleitet. Das vermeidet Überlagerungen unterschiedlicher Schadensphänomene. Die Schmierung der Profilschienenführungen während der Untersuchungen erfolgt mit Bettbahnölen. Der Kühlschmierstoff wird in Form einer Emulsion zugeführt, die Aufbereitung findet unmittelbar vor dem Beginn der Untersuchung statt. Die Kooperationspartner definierten die zugeführten Schmierstoff- und Kühlschmierstoff-Volumina. Die Schmierung mit Bettbahnöl sowie die Verunreinigung mit Kühlschmierstoff (KSS) wird durch direktes Zuführen am Führungswagen über separate Anschlüsse vorgenommen.
Um eine exakte Versorgung mit Schmierstoff und Kühlschmierstoff zu gewährleisten, werden für jede Prüfkombination separate Dosiereinheiten und Kolbenverteiler für Schmierstoff und Kühlschmierstoff verwendet. Alle eingesetzten Schläuche werden zum Schutz vor Verunreinigungen vor jedem Untersuchungsstart erneuert. Die Dosiereinheiten und Kolbenverteiler werden nach einem festgelegten Prozess gereinigt. Während der Versuchslaufzeit erfolgt täglich eine optische Kontrolle des Glanzstelleneintritts und gegebenenfalls der Entwicklung. Die ausführliche Analyse und Bewertung findet nach dem Versuchsende statt.
Wechselwirkungen zwischen Kühlschmierstoffen und Schmierstoffen
Nachfolgend sind exemplarische Untersuchungsergebnisse zu den Glanzstellenuntersuchungen dargestellt. Dabei wird im Speziellen der Einfluss der Kombination aus Schmierstoff und Kühlschmierstoff erläutert.
- Kombination I: Kühlschmierstoff Typ A, Schmierstoff Typ A (Bild 6): Die Untersuchung wurde nach dem zuvor beschriebenen Vorgehen durchgeführt und zeigt ausgeprägte „Glanzstellen“. Es können hellere Segmente auf der Laufbahn identifiziert werden, in welchen ein Materialabtrag stattgefunden hat, dieser ist auch im Messschrieb deutlich ablesbar. Die Messung erfolgte quer zur Laufbahn. Oberhalb und unterhalb der beschädigten Segmente kann die herstellungsbedingte Schleifstruktur der Laufbahn erkannt werden. Als Schmierstoff wurde ein Bettbahnöl der Viskosität ISO VG 220 eingesetzt. Die sichtbare braune Einfärbung im überrollten Laufbahnbereich kann auf den Einfluss des Schmierstoffs und Kühlschmierstoffs zurückgeführt werden.
- Kombination II: Kühlschmierstoff Typ A, Schmierstoff Typ B (Bild 7): Der verwendete Kühlschmierstoff entspricht dem von Kombination I, jedoch wurde ein abweichender Schmierstoff gleicher Viskosität eingesetzt. Optisch kann anhand des linken Teilbildes in Bild 7 eine deutlich verringerte Ausprägung der Oberflächenveränderung ausgewiesen werden. Der Messschrieb der Laufbahn zeigt zudem keinen signifikanten Materialabtrag, vielmehr kann im gesamten Messschrieb die Schleifstruktur der Laufbahn abgelesen werden. Die Messung erfolgte auch in diesem Fall quer zur Laufbahn. Entsprechend der Definition der Bewertung wurde die Kombination als „Gutkombination mit optischen Auffälligkeiten“ bewertet.
- Kombination III: Kühlschmierstoff Typ B, Schmierstoff Typ B (Bild 8): In Bild 8 sind Auszüge der Untersuchungsergebnisse einer Führungsschiene von Kombination III aufgeführt. In den Untersuchungen wurde der gleiche Schmierstoff wie zuvor in Kombination II eingesetzt. Es kam ein zu Kombination I und II abweichender Kühlschmierstoff zum Einsatz. Die Ergebnisse zeigen deutlich barcodeartige Oberflächenveränderungen sowie einen signifikanten Materialabtrag. Die Messung erfolgte längs zur Laufbahn. Die Untersuchung wurde entsprechend der Klassifizierung mit „Glanzstellen“ bewertet.
Geeignete Kombinationen beeinflusst Ausprägung der Oberflächenveränderung
Der Vergleich der erzielten Untersuchungsergebnisse verdeutlicht die Wechselwirkungen zwischen Kühlschmierstoffen und Schmierstoffen. Durch Wahl geeigneter Kombinationen lassen sich das Auftreten sowie die Ausprägung der Oberflächenveränderung signifikant beeinflussen. Es kann keine allgemeine Gültigkeit der Reduzierung durch einen bestimmten Schmierstoff attestiert werden. Folglich werden ausschließlich Kombinationen aus Kühlschmierstoff und Schmierstoff qualifiziert. Lediglich auf den Kühlschmierstoff und dessen Inhaltsstoffe oder den Schmierstoff und dessen Inhaltsstoffe bezogene Aussagen sind, wie die dargestellten Ergebnisse verdeutlichen, nur bedingt belastbar.
In der Vergangenheit wurden am WZL mehr als 120 unterschiedliche Kombinationen aus Schmierstoff und Kühlschmierstoff untersucht. Dabei wurde für jede Prüfkombination eine detaillierte Analyse und Bewertung erstellt. Die Belastbarkeit der Untersuchungsergebnisse wird dadurch verdeutlicht, dass unter den am WZL getesteten Gutkombinationen auch im industriellen Einsatz keine Glanzstellen an den Profilschienenführungen beobachtet werden konnten. Die Untersuchungen tragen folglich zur Steigerung der Maschinenverfügbarkeit in der industriellen Praxis bei.
Zukünftig gilt es zusätzlich zu möglichen Treibern der Glanzstellenneigung innerhalb der Kühlschmierstoffe insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Kühlschmierstoff und Schmierstoff weiter zu untersuchen. Ziel muss es sein die Glanzstellenneigung möglichst zu unterdrücken und gleichzeitig bestmögliche Kühlschmiereigenschaften bei der Werkstückbearbeitung zu erzielen.
Literatur
[BREC17] Brecher, C., Weck, M. (Hrsg.) (2017): Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme 2. Konstruktion, Berechnung und messtechnische Untersuchung. 9. Auflage. Berlin: Spinger Vieweg.
[ISPA96] Ispaylar, M. (1996): Betriebseigenschaften von Profilschienen-Wälzführungen. Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Aachen.
[SOMM14] Sommer, K., Heinz, R., Schöfer, J. (2014): Verschleiß metallischer Werkstoffe. Erscheinungsformen sicher beurteilen. 2. korrigierte und ergänzte Auflage. Berlin: Spinger Vieweg.
* Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher ist einer der Direktoren, Dr.-Ing. Marcel Fey ist Oberingenieur und Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Jens Falker ist Gruppenleiter am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University in 52074 Aachen
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